Berlin. Niedersachsens Ministerpräsident räumt bei Markus Lanz eine Schuld der Politik bei der VW-Misere ein – allerdings nicht bei sich selbst.
Mit seiner Gästeliste war Moderator Markus Lanz am späten Mittwochabend ein Coup gelungen – und trotzdem hätte er die TV-Sendung im ZDF beinahe versemmelt.
Geladen war der SPD-Ministerpräsident von Niedersachsen, Stephan Weil. Er spielt eine wichtige Rolle beim VW-Konzern. Erstens hält das Land 20 Prozent der Aktien des Unternehmens. Zweitens sitzt Weil im Aufsichtsrat, wo Niedersachsen und die Arbeitnehmerseite die Entscheidungen des Vorstands blockieren können.
Zehntausende von betroffenen Mitarbeitern werden als Zuschauer sicher gespannt auf ein Wort von Weil gewartet haben. Aber was macht Markus Lanz? Er lässt fast eine halbe Stunde lang den Washingtoner ZDF-Korrespondenten meist Altbekanntes über den US-Wahlkampf berichten und versucht dann einen holprigen Übergang von Trump zu Wolfsburg über dessen Zollpolitik, von der Experten sagen, die treffe die deutsche Autoindustrie gar nicht so besonders. Ungewohnt dilettantisch für den Profi Lanz.
Werkschließungen verhindern
Aber dann ging es weit nach Mitternacht endlich zur Sache. Der Paukenschlag vom Montag in Wolfsburg, mit dem Alarmruf des Betriebsrats wegen Planspielen für Werkschließungen, Personalabbau und Lohnkürzungen sei „im Kern“ von Volkswagen schon vor zwei Monaten kommuniziert worden, sagte Weil. Das Kostensenkungsprogramm laufe ja seit Jahren. Letztes Jahr habe es noch einen Rekordgewinn gegeben, aber dass dies so nicht bleiben werde, habe man gewusst.
Der Sozialdemokrat will partout Werkschließungen verhindern, denn „wo ich eine Industrie abziehe, kommt sie nicht wieder“. Es gebe sinnvollere Alternativen als Standortschließungen. Es sei Sache von Betriebsrat und Geschäftsführung, „dass die in den anstehenden Verhandlungen auch rauskommen“.
Belegschaft „zwischen Baum und Borke“
Bis Weihnachten müssten sie aber beendet sein, so Weil. Die VW-Belegschaft hänge „zwischen Baum und Borke“. Lanz konfrontierte den Gast mit früheren Aussagen von dessen Parteifreunden Kevin Kühnert und Lars Klingbeil, wonach ein Arbeitsplatzabbau bei VW nicht infrage komme.
Einen Arbeitsplatzabbau könne er nicht ausschließen, antwortete Weil, der laufe ja „auf breiter Front“ in der Autobranche. Über die Größenordnung bei VW könne er nichts sagen, die müsse in den Verhandlungen besprochen werden.
Wulffs Fehler mit „Karmann“
Als Sparringspartnerin für Weil war die FAZ-Wirtschaftskorrespondentin Julia Löhr im Studio. Sie meinte, dass auch die Politik an der VW-Krise mitschuldig sei, weil sie sich „radikalen Schritten“ zum Strukturwandel widersetzt habe.
VW und Toyota hätten 2016 beide jeweils zehn Millionen Autos hergestellt. Heute produziere VW neun Millionen Pkw mit 680.000 Mitarbeitern – bei Toyota seien es elf Millionen mit nur 380.000 Mitarbeitern: „Die machen das mit der Hälfte der Leute.“
Im Übrigen seien einige VW-Werke nur zu 20 Prozent ausgelastet. Es sei wohl ein Fehler der Politik gewesen, dass der damalige CDU-Ministerpräsident Christian Wulff auf die Übernahme des Werkes des insolventen Autoherstellers Karmann in Osnabrück durch VW gedrängt habe. Karman sei heute „das größte Sorgenkind“ des Konzerns.
Probleme mit den E-Autos
Der Widerspruch von Stephan Weil kam umgehend. Wer Toyota mit VW vergleiche, vergleiche Äpfel mit Birnen. Denn: Die Japaner lagerten viele Aufgaben aus – Volkswagen mache viel in eigener Regie. Wenn sie, Löhr, ihm auch politische Fehler vorwerfen wolle, müsse er feststellen, dass er als Mitglied der VW-Gremien „nicht alles sagen darf“.
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Fehler der Politik stellte Weil dann aber sehr wohl bei anderen fest: Der Absatzschwund bei VW treffe vor allem die Werke, wo Elektroautos produziert werden. Aus heutiger Sicht sei es „nicht klug“ gewesen, dass die Ampel-Regierung im Dezember 2023 die Absatzprämie für elektrische Fahrzeuge überraschend abgeschafft habe. Das sei von den Käufern als Signal gegen die E-Mobilität wahrgenommen worden.
Vergünstigungen für E-Autos
„Wir müssen jetzt neue Anreize schaffen für E-Autos“, forderte der Ministerpräsident. Er sieht sie nicht im alten Prämienmodell, sondern eher in steuerlichen Vergünstigungen. Bei Julia Löhr weckte das Bedenken. Selbst Arbeitnehmer, die sie in VW-Werken gesprochen habe, verstünden nicht, wie die Politiker angesichts der Zahlen von VW neue Versprechungen machen könnten.
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Es müsse erst mal um die Wettbewerbsfähigkeit von VW gehen. Im Übrigen sei die Fertigung der preiswerten E-Volkswagen ID.2 (unter 25.000 Euro) und des ID. (unter 20.000) Euro in Spanien beziehungsweise Portugal und Osteuropa geplant. Nun ja, so Stephan Weil, es sei halt so, dass die hochpreisigen Autos in Deutschland produziert würden und die anderen im Ausland.
Wirtschaftspolitik „Chefsache“
In der Schlussrunde fragte Lanz nach der Ampel und dem Allerlei an Industriegipfeln. Er schaffte es aber nicht, einen Keil zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und Stephan Weil zu treiben.
Wirtschaftspolitik müsse jetzt „Chefsache“ werden, sagte Weil. Natürlich könne der Kanzler Sachverständige zu einer Konferenz einladen, ohne die anderen Kabinettsmitglieder zu beteiligen, er selbst mache so was auch: „Aber dass der Bundesfinanzminister zu einem publikumswirksamen Gegengipfel einlädt, das ist unterirdisch. Dieser Umgang miteinander ist unter aller Kanone.“
Am Ende nahm die Sendung Fahrt auf. Es wäre also alles gut gewesen, hätte Lanz den Sendeablauf einfach umgedreht.
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