Berlin. Irans Ölquellen sind ein realistisches Ziel für einen Vergeltungsschlag – mit potenziell schwerwiegenden Folgen. Das Worst-Case-Szenario.

Die USA sind Israels Schutzpatron – und größter Waffenlieferant. Der verheerende Angriff in Beirut, bei dem die halbe Hisbollah-Führung um Hassan Nasrallah ausgeschaltet wurde, war nur mit amerikanischen Waffen möglich, konkret: mit bunkerbrechende Bomben. Auch bei der Abwehr eines iranischen Raketenangriffs leisteten die US-Geheimdienste und zwei Zerstörer im Mittelmeer Schützenhilfe.

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„Keine Regierung hat Israel mehr geholfen als ich. Keine. Keine“, beteuert US-Präsident Joe Biden. Den Abschuss der Iran-Raketen hat US-Joe Biden persönlich angeordnet. Diese Rückendeckung hat ihren Preis. Er will Einfluss auf den angedrohten Vergeltungsschlag gegen den Iran nehmen. Die Entscheidung selbst werden sich die Israelis nicht ausreden lassen.

Iraner rechnen selber mit dem Angriff

Sie haben sich festgelegt und einen „baldigen“ Schlag angekündigt. Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit und im Ergebnis auch der Abschreckung, dass sie sagen, was sie wollen, und vor allem tun, was sie sagen. Für leere Drohungen sind sie nicht bekannt.

Der Präsident riet von einem Schlag gegen die Atomanlagen, aber auch gegen die Ölinfrastruktur des Irans ab. „Wenn ich an ihrer Stelle wäre, würde ich über andere Alternativen nachdenken als Angriffe auf Ölfelder“, so Biden. „Wir führen darüber Gespräche.“

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Tatsächlich wären die Förderanlagen, Raffinerien, Pipelines, Häfen empfindliche Ziele. Die Iraner treffen schon Sicherheitsvorkehrungen. Ein Topziel ist die Insel Kharg, gut 30 Kilometer westlich vom Iran im nördlichen Persischen Golf. Von ihr werden 90 Prozent der iranischen Ölexporte abgewickelt. Vorsorglich ziehen die Iraner schon Schiffe ab, wie das Fachportal Tanker Trackers auf X berichtet.

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Wichtigste Einnahmequelle: 35 Milliarden US-Dollar im Jahr

Rohöl ist die wichtigste Einnahmequelle des Iran. Nach Angaben der Internationalen Energieagentur beliefen sich die Ölexporte im August auf „robuste“ 1,8 Millionen Barrel pro Tag. Das entscheidende Wort: robust.

Der Westen hat auf Drängen der USA den iranischen Öl-Handel mit Sanktionen belegt. Genutzt hat es nicht viel. Das Land verschifft so viel Öl wie noch nie und kassiert im Jahr schätzungsweise 35 Milliarden.

China half dem Iran aus der Bredouille

Der größte Teil der Exporte ging nach China. Es heißt, dass die Tanker das Positionssystem AIS ausschalten, um nicht geortet zu werden. Aber mit mithilfe von der jeweils letzten bekannten Position eines Schiffes und Satellitenbildern konnte die „Financial Times“ die Schattenflotte ausfindig machen.

Das Geschäft lohnt sich für beide Seiten. Der Iran kommt zu Geld, China zu Rohstoffen zu Rabattpreisen. Dass es die Sanktionen der Amerikaner durchkreuzt, dürfte kein unwillkommener Aspekt sein. Die Rivalitäten nahmen zuletzt zu, ökonomisch, politisch, militärisch.

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Die USA haben teilweise Tanker beschlagnahmt und das mutmaßlich iranische Öl zu konfisziert. Der Iran schlug zurück, in dem er seinerseits Schiffe im Persischen Golf festsetzte. Das sind nur Scharmützel im Vergleich zu der Frage, die sich jetzt stellt.

Wo es brenzlig wird: am Golf von Hormuz

Wie hart, wie umfassend wird der israelische Schlag ausfallen? Geht es darum, Stärke zu zeigen? Oder soll die Infrastruktur nachhaltig zerstört werden?

Wenn buchstäblich auf einen Schlag 1,8 Millionen Barrel am Tag fehlen, wirkt sich das auf die Energiepreise aus. Kurzfristig könnte zur Beruhigung des Marktes nur Saudi-Arabien einspringen.

„Wendepunkt für den Ölmarkt“

Aber was ist, wenn der Iran die nächste Sprosse auf der Eskalationsleiter nimmt und die Straße von Hormus blockiert? Sie verbindet den persischen Golf mit dem Golf von Oman. An ihrer engsten Stelle ist sie nur 34 Kilometer breit. Über diesen Engpass wird etwa ein Fünftel des weltweiten Erdöls zu den Weltmeeren transportiert – oder auch nicht.

Als 2019 saudische Ölanlagen beschädigt wurden – die USA beschuldigten seinerzeit den Iran – schoss der Preis in die Höhe. Analysten der Citigroup schrieben am Mittwoch in einer Mitteilung an ihre Kunden: „Jede Schließung der Straße von Hormus würde einen Wendepunkt für den globalen Ölmarkt und die Weltwirtschaft darstellen.“

Ist der Markt abgestumpft?

Ein harter Schlag würde das bewirken, was die Amerikaner mit Sanktionen nicht geschafft haben. Er würde vermutlich aber auch zu höheren Benzinpreisen führen, ein Treiberfaktor der Inflation. Und das käme im US-Wahlkampf höchst ungelegen.

Dass der Markt ruhig geblieben ist, hat damit zu tun, dass Krisen im Nahen Osten der Regelfall sind, nicht die Ausnahme. Entweder glauben die Investoren, dass alle Parteien an keinem ausgeweiteten Konflikt interessiert sind oder sie sind abgestumpft.