Tel Aviv. Kein Licht, kaum Luft, eine Fischdose: Wochenlang warten sechs Israelis in elenden Zuständen auf ihre Befreiung. Doch ohne Happy End.
Bunte Farben und eine Mickey-Maus an der Wand: Ein Kinderschlafzimmer in Rafah im Süden Gazas diente als Vorzimmer zur Hölle. Darunter verbrachten sechs israelische Geiseln die letzten Wochen ihres Lebens, bevor sie brutal ermordet wurden. Durch das Kinderzimmer verschafften sich israelische Soldaten vor wenigen Tagen Zugang in den Tunnel, aus dem die Leichen geborgen wurden. Nun enthüllte die Armee einige der Details über die Qual, der die sechs Geiseln vor ihrem Tod ausgesetzt waren.
In zwanzig Metern unter dem Erdboden, am Ende eines 120 Meter langen Tunnels und hinter einer schweren Eisentür mussten die sechs Israelis mindestens einige Wochen lang ausharren – ohne Licht, ohne Luftzufuhr, ohne Toiletten und ohne Wasserleitung, sagt ein Sprecher des israelischen Militärs. Sauerstoff war knapp und „die Luftfeuchtigkeit schwer zu ertragen“, so der Sprecher.
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Der Raum, in dem die Geiseln festgehalten wurden, war nicht mehr als ein winziger Schacht: 80 Zentimeter breit und maximal 170 Zentimeter hoch. Die Geiseln mussten in Schichten schlafen – wenn Hunger und Durst ihnen nicht ohnehin den Schlaf raubten. Anhand der Überreste der wenigen Nahrungsmittel, die die Geiseln untereinander aufteilen mussten, ist abzulesen, wovon sie sich dort ernährten: mehrere Proteinriegel, eine Thunfischdose. Eine der Geiseln sei im Tunnel auf 36 Kilogramm abgemagert, heißt es.
„Der Gestank dort muss fürchterlich gewesen sein“
Auch das Wasser war knapp, es wurde in Flaschen verabreicht, in welche die Geiseln dann auch urinieren mussten. Als Toilette für feste Ausscheidungen diente ein Eimer. „Der Gestank dort muss fürchterlich gewesen sein“, sagt Shay Dickmann, die Cousine der 40-jährigen Carmel Gat, die am 7. Oktober aus ihrem Bett im Kibbutz Beeri entführt und seither in Gaza festgehalten worden war, bevor die Terroristen sie ermordeten.
„Carmel war eine großgewachsene Frau, sie konnte in dem Tunnel nicht aufrecht stehen“, sagt Dickmann in einem Interview mit dem TV-Sender 12. Die Armee hatte den Familien bereits vergangenes Wochenende Videos gezeigt, die nach der Ermordung im Tunnel gemacht wurden. Diese Bilder zu sehen, sei sehr schwer gewesen, so Dickmann. „Ich konnte aber auch plötzlich spüren, dass sie vor zehn Tagen noch am Leben war. Alle sechs waren am Leben. Sie haben so lange durchgehalten, diese schockierenden Umstände haben sie nicht gebrochen.“
Wurden die Geiseln erschossen, weil die Armee anrückte?
Dass sie so lange durchhalten konnten, liege wohl daran, dass die sechs Israelis sich gegenseitig stützten, mutmaßt ein Vertreter der Armee. Kampfspuren zeugen laut Armeeangaben davon, dass die vier Männer unter den Geiseln versucht haben, die beiden Frauen, Carmel Gat und Eden Jerushalmi, vor Angriffen der Terroristen zu verteidigen.
Im Tunnel fanden Soldaten auch Patronenhülsen von Kalaschnikow-Gewehren – jenen Waffen, mit denen die Geiseln aus nächster Nähe erschossen wurden, daneben Koranbücher, Stirntaschenlampen, eine Haarbürste der Hamas-Terroristen. Und schließlich: große Mengen an getrocknetem Blut, das die letzten Momente im Leben der sechs Israelis bezeugt.
Von Angehörigen der Geiseln ist nun Kritik am Vorgehen der Armee zu hören. Der Vorwurf: Hätten die Terroristen die israelischen Soldaten nicht herannahen hören, wären die Schüsse womöglich nicht gefallen. Ein Armeesprecher weist das zurück: Die Terroristen hätten die Geiseln bereits ermordet, bevor die Armee im Tunnel war.
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