Tunis. Israel erweist sich als gut vorbereitet, die Raketen der Hisbollah richten kaum Schaden an. Doch niemand weiß, wie es nun weitergeht.
Am Sonntagmorgen hat die libanesische-Hisbollah einen lange erwarteten Großangriff auf Israel gestartet. Man habe um 5 Uhr morgens 320 Raketen zielgenau auf Stützpunkte der israelischen Armee abgefeuert, so ein Sprecher der schiitischen Miliz in Beirut. Die „erste Phase“ der Vergeltung für die Tötung von Fuad Schukr sei abgeschlossen. Schukr war einer der wichtigsten Kommandeure der Hisbollah und starb vor vier Wochen beim Einschlag einer israelischen Rakete in ein Wohnhaus in Beirut.
Israels Regierung rief bereits kurz nach Abschuss der Raketen einen 48-stündigen Ausnahmezustand aus, der Flughafen Ben Gurion wurde für zivile Flüge zunächst geschlossen. Die Katjuscha-Raketen landeten ausschließlich im Norden Israels, es gab offenbar mehrere Verletzte. Die israelische Armee spricht von 210 Raketen und 20 Drohnen, die mehrheitlich auf offenem Gelände explodierten. Im Libanon kommt die Regierung im Laufe des Tages zu einer Krisensitzung zusammen.
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Offenbar hatte der Militärgeheimdienst noch in der Nacht Hinweise auf einen bevorstehenden Einsatz moderner Hisbollah-Raketen erhalten, die auch Tel Aviv treffen können. Daraufhin stiegen 100 Kampfjets auf und zerstörten bereits kurz vor 5 Uhr Dutzende Raketenwerfer, die „eine unmittelbare Gefahr für die Bürger des Landes waren“, so Armeesprecher Daniel Hagari. Träfe eine Kurzstreckenrakete eines der vielen Hochhäuser der Küstenstadt, könnten Hunderte Menschen sterben – ein regionaler Flächenbrand wäre sehr wahrscheinlich.
Im Norden Israels sind Schulen und Universitäten geschlossen
Die Hisbollah ist ein enger Verbündeter des Iran. Vor allem die ultrarechten Koalitionspartner von Regierungschef Benjamin Netanjahu fordern eine aggressivere Politik gegenüber Teheran. Im Falle vieler israelischer Opfer bei einem Vergeltungsschlag der Hisbollah rechnen viele in der Region mit einem israelischen Luftangriff auf das Teheraner Atomprogramm. Doch zunächst blieb die Lage in Israel ruhig – der landesweite Ausnahmezustand gilt seit Sonntag, 6 Uhr Ortszeit, für die nächsten 48 Stunden.
Während in den zum Teil bereits evakuierten Städten im Norden viele den Morgen im Luftschutzbunker verbrachten, kehrte in Tel Aviv und Jerusalem schon wenige Stunden nach dem ersten Schrecken ein halbwegs normaler Alltag zurück. Lediglich im Norden des Landes bleiben die Schulen und Universitäten zunächst geschlossen, die meisten Betriebe überlassen es ihren Angestellten, ob sie zur Arbeit kommen oder zuhause bleiben wollen.
Dennoch hat schon das wochenlange Warten auf einen Vergeltungsangriff aus dem Libanon und Iran Spuren hinterlassen in der israelischen Gesellschaft. Wer kann, verbringt den Sommer auf dem Land, weit weg von den Innenstädten von Haifa oder Tel Aviv, die leichte Ziele der ungenauen Langstrecken-Raketen aus dem Iran wären.
War der Angriff nur eine Belastungsprobe für den „Iron Dome“?
Israelische Militärexperten rätseln noch, ob die „ersten Phase“ des Angriffs nur ein Belastungstest des israelischen Luftabwehrschirms „Iron Dome“ war. Ein koordinierter Angriff der iranischen „Achse des Widerstands“ könnte noch immer aus dem Iran, dem Jemen und dem Libanon kommen. An der Grenze zum Libanon bereiten sich gerade eingezogene Reservisten auf das Einsickern von Hisbollah-Kommandos vor – ähnlich wie am 7. Oktober letzten Jahres aus dem Gazastreifen.
Offenbar hat sich mittlerweile auch im Libanon die Lage wieder beruhigt. Das Gesundheitsministerium meldete, dass bei den israelischen Angriffen in der Nacht zwei Menschen in dem Dorf Tiri getötet worden seien. Es machte keine Angaben dazu, ob es sich bei den Toten um Zivilisten oder Kämpfer der Hisbollah handelt. Zunächst war von einem Todesopfer und zwei Verletzten die Rede gewesen. Um 17 Uhr will sich Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah zu den Ereignissen äußern.
Indes gehen in Kairo heute die Verhandlungen über einen Waffenstillstand für den Gazastreifen weiter. Neben Israels Geheimdienstchef Barnea ist dort mittlerweile auch eine Delegation der Hamas und der katarische Außenminister Mohamed Al Thani eingetroffen. Sollten die Waffen in Gaza tatsächlich bald schweigen, dürften sich der Iran und die Hisbollah dies als Resultat ihres militärischen Drucks auf Israel auf die Fahnen schreiben. Sollten die Verhandlungen in Kairo scheitern, könnte Phase zwei des Angriffs auf Israel folgen. Mit ungewissem Ausgang.
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