Berlin. Wer mit der Bahn reist, braucht Resilienz. Das Management zuckt nur noch mit den Schultern. Da helfen auch keine Kaffeegutscheine mehr.

Das kommt auch vor: Der ICE fährt in Berlin pünktlich am richtigen Gleis ein, der gebuchte Platz ist schnell gefunden, die Toiletten sind sauber und funktionieren, im Bordbistro wird frischer Kaffee serviert – und nur vier Stunden später steigen die Passagiere gelassen am Münchner Hauptbahnhof aus.

Wer diese schöne Reise einmal erlebt hat, weiß, was möglich ist. Leider ist der Alltag der Bahnreisenden ein anderer: Züge und Weichen sind kaputt, Signale gestört, Stellwerke auch. Und wenn der Zug fährt, sind Toiletten unbenutzbar, die Klimaanlagen ausgefallen, das Bordbistro geschlossen. Wenn die Passagiere irgendwann in München ankommen, sind sie hungrig, verschwitzt und gestresst.

Klar ist: Geordnet ist der Zugablauf längst nicht mehr. Die Deutsche Bahn ist so unzuverlässig wie nie. Allein in diesem Jahr mussten die Fahrpläne zwischen zwei und drei Millionen Mal geändert werden, ergaben Recherchen der „Süddeutschen Zeitung“. Den Verantwortlichen ist das sogar bewusst: So erklärte ein Mitglied des Aufsichtsrats diese Woche, Fahrpläne würden nicht mehr gerechnet, sondern nur noch geschätzt. Letztlich gab er einen Kontrollverlust zu.

Ein Kontrollverlust, der ins Mark der Gesellschaft trifft. Die Familienfeier in Dortmund zum 85. Geburtstag? Mal sehen, wer es von der Verwandtschaft aus Berlin, München und Zürich pünktlich schafft. Das Konzert mit Anne Sophie Mutter in der Waldbühne Berlin, lang ersehnt und lang geplant? Wer eine weite Anreise hat, nimmt lieber einen Urlaubstag mehr. Während der Fußball-EM in Deutschland wurde die Bahn sogar zur internationalen Lachnummer, weil Fans Spiele verpassten und der Umgang mit dem Chaos an manchen Bahnhöfen so dilettantisch war.

Birgitta Stauber
Birgitta Stauber, Textchefin der Zentralredaktion. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Deutsche Bahn: Bahnreisen sind teuer, vor allem ohne Super-Sparpreis

Die Bahn sorgt aber nicht nur für Stress, Chaos und geplatzte Urlaubsplanung. Sie ist auch viel zu teuer. Wer etwa zum regulären Preis von Frankfurt nach Hamburg reist, zahlt 131,90 Euro plus eine Reservierungsgebühr von 5,20 Euro. Macht 274,20 hin und zurück. Dafür lässt sich ganz schön weit fliegen oder mit dem Auto fahren. Die Bahncard halbiert zwar den Preis, kostet aber auch 250 Euro. Außerdem kann nicht jeder weit im Voraus mit Zugbindung buchen, um den Super-Sparpreis zu ergattern. Die Preise werden wohl noch drastisch steigen: Das hat die Bahn bereits nach der Haushaltseinigung der Ampel-Koalition bereits angekündigt.

Deutsche Bahn
Überfüllte Bahnsteige gehören zum Alltag von Bahnkunden. © picture alliance / Daniel Bockwoldt/dpa | Daniel Bockwoldt

Wenigstens wird die Modernisierung des Streckennetzes in Angriff genommen – mit der Folge, dass Fahrgäste zwischen Berlin und Hamburg sowie Frankfurt und Mannheim für Monate auf Schienenersatzverkehr umsteigen müssen. Dennoch bleibt einer modernen und mobilen Gesellschaft gar nichts anderes übrig, als die Bahn zu nutzen. Wenn ein Bahnmanager nun offenherzig einen Kontrollverlust einräumt, offenbart er, dass die Bahn genau darauf setzt – nach dem Motto: Die Kunden kommen ja doch.

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Mag sein, dass die Politik seit Jahrzehnten das Bahnnetz vernachlässigt. Aber abgesehen von den Stellwerk- und Signalproblemen, von all den veralteten Zügen: Der Service ächzt und stöhnt an allen Enden und Ecken. Zugbegleitern bleiben da nur noch Kalauer, um die Stimmung der Kunden zu verbessern. All das zeigt: Geht es um die Deutsche Bahn, dann geht es um eine Firmenkultur, die sich ans Chaos gewöhnt hat. Der letzte Versuch, die Kundenstimmung zu verbessern, sind kleine Geschenke, die es seit einziger Zeit gibt. Etwa der Gutschein für einen Kaffee im Bordbistro. Doch was nützt er, wenn die Kaffeemaschine nicht funktioniert.