Düsseldorf. Das neue Heimatschutzregiment ist personell gut aufgestellt, aber bei der Verteidigungsfähigkeit des Landes sehen Experten schwarz.

Die Bundeswehr sieht sich bei ihrem Ziel, einen funktionierenden Heimatschutz in NRW aufzubauen, auf einem guten Weg. Es hätten sich schon viele Freiwillige gemeldet, und es gebe Platz für viele weitere Reservisten, erklärte Brigadegeneral Hans-Dieter Müller, Kommandeur des Landeskommandos NRW, am Mittwoch im Landtag.

Heimatschutz NRW: Bisher rund 2000 Bewerbungen, „weit über 500“ sind schon im Dienst

Vor einem Jahr hatte Müllers Amtsvorgänger im Landeskommando, Brigadegeneral Dieter Meyerhoff, erstmals im Landesparlament die Werbetrommel für ein neues Heimatschutzregiment, das seine Zentrale in Münster hat, geschlagen. Die Resonanz ist bisher aus Bundeswehrsicht erfreulich. „Unser Ziel ist es, im Einsatzfall etwa 1000 Menschen im Regiment zu haben. Wir haben schon weit über 500. Insgesamt haben sich bisher 1418 Freiwillige, die früher schon in den Streitkräften gedient haben, beworben. Dazu kommen 546 Bewerbungen von Ungedienten“, sagte Müller.

Der Heimatschutz unterstützt bei Bedarf Polizei, Technisches Hilfswerk, das Rote Kreuz und andere Organisationen. Im Kriegsfall muss er der aktiven Truppe bei der Landes- und Bündnisverteidigung helfen.

Lesen Sie hier, wie sich Freiwillige im Bundeswehr-Heimatschutz engagieren.

Bisher kein Bewerbungsschluss für den Heimatschutz in Sicht

Im Frieden ist die Teilnahme dieser Reservisten an Einsätzen, zum Beispiel nach Naturkatastrophen, freiwillig und auch abhängig davon, ob Arbeitgeber ihren Mitarbeitenden dafür frei geben. Aus diesem Grund gibt es auch keinen Bewerbungsschluss für das Regiment.

„Ich habe einen Gaskocher im Keller. Ich habe dort auch eine Batterie an Ravioli stehen. Auch das ist Resilienz“: Hans-Dieter Müller, Brigadegeneral und Kommandeur des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen, informierte im Landtag über den Heimatschutz in NRW und Über das, was im Krisenfall wichtig ist.
„Ich habe einen Gaskocher im Keller. Ich habe dort auch eine Batterie an Ravioli stehen. Auch das ist Resilienz“: Hans-Dieter Müller, Brigadegeneral und Kommandeur des Landeskommandos Nordrhein-Westfalen, informierte im Landtag über den Heimatschutz in NRW und Über das, was im Krisenfall wichtig ist. © DPA Images | Oliver Berg

„Für den rein infanteristischen Einsatz liegt die Altersgrenze beim Jahrgang 1969. „Wir können aber grundsätzlich alle bis zum Alter von 65 gebrauchen“, so Müller. „Wir machen kein Ende. Wir hören bei 1000 nicht auf.“ Weil bei einem Einsatz-Wunsch von 1000 Soldaten in der Regel nur etwa 25 Prozent erscheinen, sei es perspektivisch sinnvoll, einzelne Dienstposten doppelt und dreifach zu besetzen. Es würden daher bis zu 4000 Freiwillige im Heimatschutz benötigt.

Heimatschützer bei einer Übung in einem Wald bei Münster. Die Bundeswehr wartet auf Bewerbungen von Interessierten, auch von „Ungedienten“.
Heimatschützer bei einer Übung in einem Wald bei Münster. Die Bundeswehr wartet auf Bewerbungen von Interessierten, auch von „Ungedienten“. © FUNKE Foto Services | Andreas Buck

„Kämpfer“ gibt es reichlich, aber Fachkräfte für andere Aufgaben werden gesucht

Der Frauenanteil im Heimatschutz ist so gering, dass ihn Müller gar nicht beziffern kann. Es gebe „eine Masse Männer“ dort, sagt er. In der Reserve benötigt würden vor allem noch Fachkräfte wie zum Beispiel Mechanikerinnen und Mechaniker, Mechatronikerinnen und Mechatroniker sowie Küchenpersonal. An „Kämpfern“ fehle es indes nicht. Auch „Ungediente“ können im Heimatschutz eine militärische Ausbildung bekommen.

Ohne aufwendige Sicherheitsüberprüfung würden keine Freiwilligen in den Heimatschutz aufgenommen, betont das Landeskommando NRW. Das führe zu längeren Wartezeiten und mitunter auch zu Frust unter den Bewerbern.

Der Heimatschutz in NRW

Das Heimatschutzregiment war Ende Oktober 2023 feierlich als drittes von deutschlandweit sechs geplanten Regimentern in den Dienst gestellt worden.

Zu den Kernaufgaben des Heimatschutzes gehörten die Sicherung von verteidigungswichtiger Infrastruktur wie Häfen oder Bahnhöfen und die Unterstützung alliierter Kräfte bei Transporten durch Deutschland. Reservisten des Heimatschutzes können auch in Not- und Katastrophenlagen eingesetzt werden. So waren Reservisten als Helfer während der Hochwassers 2021 im Einsatz. Soldaten koordinierten auch den Corona-Einsatz in Gesundheitsämtern.

Die Bundeswehr werde auch am Wochenende beim Landes-Geburtstagsfest („NRW-Tag“) in Köln mit einem Beratungsmobil und „viel Großgerät“ präsent sein, um in der Bevölkerung wahrgenommen zu werden, so Brigadegeneral Müller. Die Bundeswehr hat in NRW derzeit 25 Standorte, 300 Dienststellen sowie etwa 40.000 Soldatinnen und Soldaten sowie zivile Arbeitskräfte. (dpa)

Wenn der Brigadegeneral über die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr in Deutschland und in NRW spricht, lässt er Zweifel durchblicken. Selbst innerhalb der Bundeswehr sei ein Krieg lange Zeit „gedanklich weit entfernt“ gewesen. „Das war blauäugig, weil seit 2014, also seit der Annektierung der Krim durch Russland, klar war, welchen Weg die Russen gehen wollen“, so Müller.

Brigadegeneral: „Es fehlen 20.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten“

Deutschland benötige nun möglichst schnell „kriegstüchtige, einsatzbereite Streitkräfte“. Es fehlten dafür aber Personal – 20.000 aktive Soldaten und 200.000 Reservisten -- , Waffen, Ersatzteile und Instandsetzung-Kapazitäten. Müller zitierte in diesem Zusammenhang die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD): „Der Bundeswehr mangelt es an allem.“

Im Kriegsfall , so Müller, wären Deutschland und NRW eine wichtige „Drehscheibe“ für die Nato. Von hier aus würden Soldaten an die „Ostflanke“ transportiert sowie die „Rückbewegung“ von Verwundeten, Gefallenen und Geflüchteten organisiert werden.

Banger Blick auf Straßen und Brücken in NRW: Sind sie militärtauglich?

Noch in einem frühen Entwicklungsstadium ist der weitgehend geheime „Operationsplan Deutschland“: Er soll die Zusammenarbeit zwischen Militär und zivilen Helfern verbessern, um im Krieg wichtige Einrichtungen und Verkehrswege schützen zu können.

Die Probleme, die normale Autofahrer mit bröselnden Brücken und maroden Straßen in NRW haben, belasteten auch die Bundeswehr und bremsten den „Operationsplan Deutschland“, erklärte Müller. Vor wenigen Tagen habe er mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) über das „Militärstraßen-Wegenetz“ gesprochen. Mit Hochdruck werde nun „erkundet“, in welchem Zustand sich die relevanten Brücken und Straßen befinden.

Wiederstandsfähigkeit beginne im eigenen Haus, meint der General

Nicht nur das Militär, sondern auch die Zivilgesellschaft müsse resilienter, also widerstandsfähiger gegen Krisen werden, mahnte der Chef des NRW-Landeskommandos. Und er denkt dabei eher an große Stromausfälle als an Krieg.

„Ich habe einen Gaskocher im Keller. Ich habe dort auch eine Batterie an Ravioli stehen. Auch das ist Resilienz“, meint Müller. Auch ein Kofferradio mit Batterien helfe, um nicht das Autoradio hören zu müssen, wenn der Strom ausfalle. „Denn das können sie nur hören, solange Sprit im Tank und die Batterie voll ist.“

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