Berlin. Die Messergewalt steigt, die Polizei ist machtlos. Innenministerin Nancy Faeser will neue Verbote. Doch ihr Vorstoß hat Kritiker.

  • Nach mehreren Straftaten ist eine Debatte über das Waffenrecht ausgebrochen
  • Innenministerin Nancy Faeser will den Umgang mit Messern einschränken
  • Ob das Täter abhält, ist unklar

Am Berliner U-Bahnhof Jannowitzbrücke sticht ein Unbekannter einem 39-Jährigen ein Messer in den Bauch. Der Täter flüchtet, das Opfer befindet sich inzwischen außer Lebensgefahr. In der Bremer Bahnhofsvorstadt verletzten sich zwei 22-Jährige gegenseitig mit einem Messer schwer, sie kommen ins Krankenhaus. In Fürth sticht ein Mann in einer Gaststätte mit einem Messer mehrfach auf einen 37-Jährigen ein. Das Opfer wird lebensgefährlich verletzt, überlebt aber. Die Polizei nimmt einen Verdächtigen fest.

Drei Nachrichten vom vergangenen Wochenende. In den Polizeimeldungen finden sich für die Tage weitere Bedrohungen mit Messern oder körperliche Auseinandersetzungen und andere Straftaten, bei denen die Beteiligten Messer dabei hatten. Die Politik diskutiert darüber, wie sie Messergewalt in den Griff bekommen kann. Befeuert wird die Debatte von Taten wie dem tödlichen Messerangriff eines Afghanen auf einen Polizisten in Mannheim im Juni. Die wichtigsten Fragen:

Wie viel Gewalt mit Messern gibt es?

In der Kriminalstatistik der Polizei sind für vergangenes Jahr 8.951 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperverletzung mit Messern aufgeführt. Gezählt wurden Fälle, bei denen die Täter ein Messer einsetzten oder dies zumindest androhten. Im Vorjahr gab es demnach 8160 solcher Taten, 2021 waren es 7071 Fälle. Der Kriminologe Thomas Feltes weist allerdings darauf hin, dass die Statistik umstritten ist: Denn darin seien nicht nur tatsächlich begangene Taten erfasst, sondern auch Verdachtsfälle.

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„Die gesonderte Erfassung der Straftaten mit Messern ist außerdem relativ neu“, sagte der Experte dieser Redaktion. „Aus der Forschung wissen wir, dass Änderungen in der Statistik erst einmal zu einem Anstieg in dem Bereich führen, auch weil die Anzeigen mehr werden.“ Zuletzt wurden aber noch weitere Zahlen bekannt: Die für die Sicherheit an Bahnhöfen, Flughäfen und Grenzen zuständige Bundespolizei zählte in ihrem Zuständigkeitsbereich im ersten Halbjahr dieses Jahres 430 solcher Fälle im Vergleich zu 777 im gesamten Jahr 2023.

„Die Zahlen der Bundespolizei zeigen, dass die Bedrohung durch Gewalt mit Messern tatsächlich zugenommen hat“, sagt der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich dieser Redaktion. „Darauf muss Politik reagieren: Es ist nicht normal, wenn immer mehr Menschen ein Messer mit sich rumtragen. Wir müssen klar machen, dass das geächtet wird.“

Was schlägt die Bundesregierung vor?

Innenministerin Nancy Faeser will das Waffenrecht verschärfen. In der Öffentlichkeit sollen nur noch Messer mit einer Klingenlänge von sechs Zentimetern statt bisher zwölf Zentimetern erlaubt sein. „Das ist ein kleines Obstmesser, wenn sie irgendwo unterwegs sind und ein Picknick machen wollen“, sagt die SPD-Politikerin. Wer sich ein neues Küchenmesser kauft, soll dies weiterhin in der geschlossenen Packung nach Hause bringen dürfen. Für Springmesser fordert Faeser ein generelles Umgangsverbot.

Neue Regeln: Faeser will Umgang mit Messern einschränken

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    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter spricht sich dafür aus, ein generelles Trageverbot von Messern im öffentlichen Raum zu prüfen. Der Kauf und Besitz bestimmter Messer, wie sogenannter Butterfly-Messer, ist bereits verboten. Andere Messer darf man besitzen, aber nicht außer Haus bei sich haben. Dazu zählen etwa Messer mit einer feststehenden Klinge länger als zwölf Zentimeter oder sogenannte Einhandmesser, deren Klinge sich mit einer Hand öffnen und feststellen lässt.

    Welche Kritik gibt es an Faesers Plänen?

    Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bezweifelt den Sinn von einem Verbot bestimmter Messer. Der Polizist in Mannheim sei beispielsweise mit einem Messer getötet worden, das der Täter nach geltendem Recht gar nicht hätte mit sich führen dürfen. CDU und CSU fordern daher, dass die Polizei mehr Befugnisse bekommen solle, Personen nach Messern zu kontrollieren. Wiederholungs- und Intensivtäter sollten zudem stärker in den Blick genommen werden.

    Die Liberalen sehen keinen Anlass, nachzuschärfen. „Die Vorschläge aus dem Bundesinnenministerium sind nicht überzeugend“, sagte FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle. „Um die wachsende Messerkriminalität einzudämmen, müssen bestehende Verbote stärker kontrolliert und Verstöße sanktioniert werden.“ Die Länder könnten stärker von der Möglichkeit von Waffenverbotszonen Gebrauch machen. Das fordert auch Faeser.

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    Die frühere Polizistin und Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic wirft der FDP eine „Blockadehaltung“ vor: „Den dokumentierten Anstieg in der Messerkriminalität können wir nicht mit einem falsch verstandenen Freiheitsverständnis beantworten, sondern müssen sinnvolle Waffenrechtsverschärfungen endlich angehen, denn die Gesetzesreform ist lange überfällig“, sagte Mihalic dieser Redaktion. „Und auch wenn der Vorstoß der Bundesinnenministerin selbstverständlich nicht zu einem gänzlichen Ausbleiben von Messerangriffen führen wird, kann es ein sehr sinnvoller Schritt sein.“

    Welche weiteren Vorschläge gibt es?

    Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat die Idee einer Messeramnestie ins Spiel gebracht. Dafür müsse es aber Anreize geben: „Konkret könnte das bedeuten: Ein Jahr Netflix für die Abgabe eines verbotenen Butterfly-Messers“, erklärte die GdP kürzlich. Grünen-Innenpolitiker Emmerich forderte mehr Forschung zu dem Thema: „Woher kommt Gewalt mit Messern, was sind die gesellschaftlichen Erklärungen?“

    Kriminologe Feltes hält dies ebenfalls für erforderlich. „Klar ist aber, dass wir eine gewachsene Aggressionsbereitschaft in der gesamten Gesellschaft erleben“, sagte der Jurist. „Da ist das Messer ein möglicher Faktor. Die Verrohung der Gesellschaft kann man aber nicht mit Verboten in den Griff bekommen.“ Faesers Vorstoß hält er daher für „reine Symbolpolitik“. 

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    Dieser Text wurde ursprünglich am 13. August publiziert.