Berlin. Wird Donald Trump das Attentat für sich nutzen? Expertin Nicole Renvert ordnet ein und sagt, wie Biden noch im Rennen bleiben kann.

Blutverschmiertes Gesicht, eine Faust gen Himmel: Die direkte Reaktion Donald Trumps nach dem Attentat auf ihn könnte seiner Präsidentschaftskampagne weiteren Schwung verleihen. Nicole Renvert, US-Sicherheitsexpertin beim Center for Advanced Security, Strategic and Integration Studies (CASSIS) an der Universität Bonn, liefert eine erste Einschätzung.

Nur kurz nach dem Attentat auf ihn streckt der republikanische Präsidentschaftskandidat Donald Trump mit blutverschmiertem Gesicht seine Faust gen Himmel. Wie bewerten Sie diese Reaktion?

Nicole Renvert: Das ist ein ganz starkes Signal an seine Unterstützer. Er will zeigen, dass er trotz dieser Wunde, die er wohl direkt gespürt hat, kampfbereit, fit und für den weiteren Wahlkampf gerüstet ist. Auch die ersten Reaktionen politischer Beobachter in den USA fielen größtenteils beeindruckt von dieser Geste aus. Das wird Trump helfen.

Die USA-Expertin Nicole Renvert: Das Attentat passt in das Bild, das Trump vermitteln will.
Die USA-Expertin Nicole Renvert: Das Attentat passt in das Bild, das Trump vermitteln will. © privat | Privat

Wie genau?

Wir befinden uns jetzt in den letzten Wochen vor der Präsidentschaftswahl und da gilt es, diejenigen zu gewinnen, die noch unentschlossen sind. Genau diese Wählergruppe kann Trump jetzt mit seiner Geste direkt nach den Schüssen auf ihn beeindruckt haben – und so auch ihr Wahlverhalten beeinflussen. Denn viele dieser Unentschlossenen sind auf der Suche nach einer starken Hand und wünschen sich einen kräftigen Präsidenten.

Was bedeutet das Attentat für den amtierenden US-Präsidenten Joe Biden?

Biden muss jetzt darauf achten, dass dieser Vorfall nicht das überragende Thema des Wahlkampfs wird und damit seine Ambitionen, erneut zum Präsidenten gewählt zu werden, zunichte macht. Er hat deswegen ja auch nach dem Attentat zunächst zur Mäßigung aufgerufen. Ein weniger emotionsgeladener Wahlkampf würde ihm sicherlich helfen. Trumps Kampagne hingegen profitiert von Konfrontation und Wut.

Glauben Sie denn, dass sich nun in diesem Wahlkampf mit Blick auf die Stimmungslage etwas verändert?

Das ist letztlich eine Frage politischer Führung. Würden beide Kandidaten zur Mäßigung aufrufen, könnte das verfangen. Meiner Einschätzung nach wird die Stimmung nach diesem Attentat aber noch aufgeheizter und polarisierter sein als zuvor.

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Droht noch mehr Waffengewalt?

Ich will das nicht beschreien, denn die Liste von Attentaten oder versuchten Attentaten auf Präsidenten oder Kandidaten in den USA ist lang. Aber heute ist es natürlich so, dass die Bewaffnung innerhalb der amerikanischen Bevölkerung enorm zugenommen hat. Und auch die Bereitschaft, kämpferisch und mit Waffengewalt in die Unterstützung für den jeweiligen Kandidaten einzutreten, ist gewachsen.

Sehen Sie denn Reaktionen aus dem Trump-Lager, die auf eine Entspannung hindeuten könnten?

Eher nicht. Der als Vizepräsidenten-Kandidat von Donald Trump gehandelte US-Senator J.D. Vance hat kurz nach den Schüssen auf Trump die Verantwortung dafür auf die Wahlkampfrhetorik Bidens geschoben. Das zeigt, dass die Leute um Trump herum eher weiter versuchen werden, diesen Wahlkampf mit großer Aufgeregtheit und viel Emotionen zu führen.

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Und Trump selbst? Er hat sich ja ohnehin schon stets als politisch Verfolgter inszeniert.

Ja. Trump hat schon immer die Bedrohung der USA durch äußere und innere Feinde beschworen. Da passt das Attentat auf ihn und ein verletzter Präsidentschaftskandidat, der weiter an der Front ist, auch wenn auf ihn geschossen wird, natürlich ins Bild. Ich glaube, dass Trump dieses Gefühl einer unsicheren Welt und diese Ängste davor weiter schüren wird.

Erwarten Sie direkte Folgen für den am Montag beginnenden Nominierungsparteitag der Republikaner?

Da wird sich weiter in Stellung gebracht. Vor allen werden dies diejenigen Trump-Unterstützer tun, die hoffen, als Vize-Präsident mit ihm ins Weiße Haus einzuziehen. Vermutlich wird sich bei dem Parteitag der Kandidat als zweiter starker Mann positionieren können, der diese Idee einer von innen und von außen bedrohten amerikanischen Gesellschaft nochmal stärker artikuliert.