Berlin.. Juraj C. soll Regierungschef Robert Fico niedergeschossen haben. Der Mann fällt mit Verbindungen zu einer paramilitärischen Gruppe auf.

Der slowakische Premierminister Robert Fico liegt nach dem Attentat schwerverletzt im Krankenhaus. Ein 71 Jahre alter Mann wurde festgenommen. Er soll fünf Schüsse auf den Regierungschef abgefeuert haben. Nach der Tat fragt sich das Land: Wer ist der mutmaßliche Täter? Was trieb ihn an? Auch in Deutschland fragen sich Sicherheitsexperten, ob Politikerinnen und Politiker ausreichend vor Einzeltätern geschützt sind.

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Wer ist der mutmaßliche Täter?

Bei dem Täter handelt es sich nach Angaben von Innenminister Matus Sutaj Estok um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice. Eine erste Vernehmung habe ergeben, dass er ein „klar politisches Motiv“ gehabt habe, nämlich die Ablehnung der Regierungspolitik. Medienberichten zufolge soll Juraj C. in der Vergangenheit für einen privaten Sicherheitsdienst gearbeitet und deshalb einen Waffenschein besessen haben. Die Tatwaffe habe er legal besessen. In seiner Heimatregion, eine Autostunde südlich vom Tatort in Handlová, soll er sich nach Medienberichten auch als Schriftsteller versucht haben und Gründer eines Literaturklubs gewesen sein. Außerdem ist C. Mitglied der offiziellen slowakischen Schriftstellervereinigung. Diese kündigte auf Facebook an, die Mitgliedschaft „der abscheulichen Person“ zu beenden, sollten sich die Vorwürfe bestätigen.

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Ein Reporter des öffentlich-rechtlichen Fernsehens RTVS, der den Täter nach der Festnahme aus der Nähe sehen konnte, schilderte, dass der Angreifer desorientiert gewirkt und Blut auf der Stirn gehabt habe. Das sei aber wohl damit zu erklären gewesen, dass ihn die Polizisten nach der Tat überwältigt und auf den Boden gedrückt hatten.

Der verletzte Robert Fico wird von seinen Leibwächtern in Sicherheit gebracht.
Der verletzte Robert Fico wird von seinen Leibwächtern in Sicherheit gebracht. © AFP | -

Was wissen wir über die Motive des mutmaßlichen Täters?

Der TV-Nachrichtensender TA3 und andere Medien bekamen eine Videoaufnahme aus der Polizeistation zugespielt. Darin sagt der benommen wirkende mutmaßliche Attentäter: „Ich stimme der Regierungspolitik nicht zu.“ Als Beispiel nannte er mit undeutlicher Stimme die von der Regierung geplante Medienreform, gegen die seit Wochen Tausende Menschen demonstrieren. Regierungsvertreter gehen inzwischen ebenfalls von einem politischen Motiv aus. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete, soll Juraj C. mehrere politische Statements in Online-Netzwerken veröffentlicht haben. 2016 hieß es in einem dieser Beiträge, die Welt sei „voller Gewalt und Waffen“ und die Menschen schienen „verrückt zu werden“. Er äußerte zudem Sorgen über Einwanderung und „Hass und Extremismus“. Er habe eine eigene „Bewegung gegen Gewalt“ gegründet. Details dazu nannte er in seinem Beitrag nicht.

Der Sohn des Mannes wurde vom slowakischen Nachrichtenportal „aktuality.sk“ befragt. Er bestätigte, dass sein Vater legal eine Waffe besessen habe. Gefragt, ob Juraj C. Hass auf den Regierungschef verspürt habe, antwortete der Sohn: „Lassen Sie es mich so ausdrücken: Er hat ihn nicht gewählt.“ C. habe nie davon gesprochen, einen Politiker angreifen oder töten zu wollen. „Er ist eher impulsiv“, sagte der Sohn über seinen Vater. Doch in psychiatrischer Behandlung sei er nicht gewesen.

Die bekanntesten Attentate auf Regierungschefs

Slowakischer Regierungschef Fico angeschossen und verletzt
Am 15.05.2024 wurde der slowakische Premier Robert Fico angeschossen und lebensgefährlich verletzt. © DPA Images | Radovan Stoklasa
Slowakischer Regierungschef Fico angeschossen und verletzt
Ein Verdächtiger wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen. © DPA Images | Radovan Stoklasa
Attentat Silvio Berlusconi
2009 wurde der italienische Premierminister Silvio Berlusconi Ziel eines Attentats. Er wurde mit einem Messer im Gesicht verletzt, allerdings nur leicht. Der Täter wurde festgenommen und entschuldigte sich später. © picture alliance / ROPI | Fotogramma/ROPI
Attentat Papst 1981
Auf Papst Johannes Paul II. gab es 1981 gleich zwei Attentate, wobei das erste das gefährlichere war. Er wurde bei einer Fahrt mit dem Papamobil über den Petersplatz lebensgefährlich verletzt. © picture-alliance / dpa | picture-alliance / dpa
Attentat auf Papst Johannes Paul II. in Rom
Attentäter war der türkische Rechtsextremist Mehmet Ali Agca, er feuerte drei Schüsse auf das Oberhaupt der katholischen Kirche und wurde vor Ort verhaftet. © picture-alliance / dpa | UPI
US-Präsident Ronald Reagan überlebt Attentat
Ebenfalls 1981 wurde US-Präsident Ronald Reagan bei einem Attentat an der Lunge verletzt, entkam aber. Auf dem Foto liegt sein Pressesprecher James Brady auf dem Boden, er wurde schwer verletzt. Der Attentäter John Warnock Hinckley konnte noch am Tatort überwältigt werden. © picture-alliance / dpa | UPI
Attentat auf John F. Kennedy
US-Präsident John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 in Dallas erschossen. Er saß in einem Cabrio, neben ihm seine Frau Jacky. © picture alliance / Photoshot | picture alliance / Photoshot
Lee Harvey Oswald
Als mutmaßlicher Todesschütze gilt Lee Harvey Oswald. Er wurde für die Tat allerdings nie verurteilt, zwei Tage nach seiner Festnahme wurde er selbst Opfer eines Attentats. © picture alliance / -/AP/dpa | picture alliance / -/AP/dpa
DEU Jahrestag BRD Grundgesetz
Auch der erste deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer sollte Opfer eines Anschlags werden. Eine an ihn adressierte Paketbombe explodierte 1952 im Münchener Polizeipräsidium. © picture alliance / ASSOCIATED PRESS
Adolf Hitler addressing the German people at the Nuremberg Rally, Germany, 1935.
Auf Adolf Hitler wurden zwei Attentate verübt, beide scheiterten. Der Schreiner Georg Elser versuchte 1939 Hitler durch ein Bombenattentat während einer Rede zu töten. Allerdings zündete die Bombe zu spät. © picture alliance / Heritage Images | The Print Collector
Attentat auf Hitler - von Stauffenberg
Das zweite Hitler-Attentat führte 1944 Claus Graf Schenk von Stauffenberg, ein deutscher Offizier, durch. Auch er verwendete eine Bombe, Hitler wurde aber nur leicht verletzt. © picture alliance/dpa | -
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Welchen politischen Hintergrund hat Juraj C.?

Darüber ist noch nicht viel bekannt. Allerdings sorgt eine Recherche des renommierten ungarischen Investigativjournalisten Szabolcs Panyi für Aufsehen: Er machte einen älteren Facebook-Post einer prorussischen paramilitärischen Gruppe ausfindig. Dabei handelt es sich um die „Slovenski Branci“, die „Slowakischen Verteidiger“. Auf dem dazugehörigen Foto ist Juraj C. zu sehen, inmitten zweier Männer in Uniform. Einer von ihnen schwenkt eine schwarz-weiß-rote Fahne, auf der ein in roter Farbe wurzelnder Baum zu sehen ist – möglicherweise eine Referenz auf die nationalsozialistische Blut-und-Boden-Ideologie. Vom Nationalsozialismus hat sich die Gruppe allerdings in der Vergangenheit offiziell distanziert. Paramilitärische Übungen hätten die „Slovenski Branci“ zusammen mit russischen Militärs durchgeführt, wie das Investigativmedium „VSquare“ 2019 berichtete.

Was sagen deutsche Sicherheitsbehörden?

Die Bilder, wie der angeschossene Robert Fico von seinen Leibwächtern zu seiner Limousine geschleppt wird, sorgten international für Bestürzen. Nach jetzigem Stand war Juraj C. mutmaßlich ein Einzeltäter. Hätte Fico besser geschützt werden können? Auch bei den deutschen Sicherheitsbehörden macht man sich Gedanken über die Gefährdungslage durch fanatische Einzeltäter. Das Bundeskriminalamt wollte aus polizeitaktischen Gründen keine Angaben machen, wie man zur Einschätzung der individuellen Gefährdungslage gelangt – und welche Schlussfolgerungen sich daraus ergeben.

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Von deutschen Sicherheitsbehörden hieß es, dass es auch in Deutschland Hass gegen den Staat und Ablehnung der Regierung gebe, etwa in der Szene der Reichsbürger. Derzeit stehen die Mitglieder der Gruppe „Vereinte Patrioten“ vor Gericht, die eine Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geplant haben sollen. Mit Sorge beobachten die Behörden ein vergiftetes gesellschaftliches Klima, durch das sich manche zu solchen Taten inspiriert fühlen könnten. Radikalisierte Einzeltäter sind hierzulande jedoch bisher nicht aufgefallen. Angriffe auf Politiker habe es aber immer mal wieder gegeben, etwa auf den inzwischen verstorbenen CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, Oskar Lafontaine (BSW) oder die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

(mit Material von dpa)