Düsseldorf. .

Bis auf wenige Ausnahmen bleiben die Gymnasien in NRW bei der verkürzten Schulzeit von acht Jahren bis zum Abitur. Schulministerin Löhrmann verspricht, gestresste Schüler trotzdem zu entlasten. Etwa durch eine Kürzung der Hausaufgaben.

Die verkürzte Schulzeit bis zum Abitur bleibt. Dennoch möchte Schulministerin Sylvia Löhrmann den Alltag der gestressten Schülerinnen und Schüler verbessern. Löhrmann versuchte am Dienstag erst gar nicht, um den heißen Brei herumzureden. Ihre Rede zum Thema Schulzeitverkürzung an den Gymnasien sei für sie „kein außerordentliches Vergnügen“, gestand die Grüne im Landtag gleich zu Beginn ein. Denn die von der rot-grünen Koalition groß angebotene Rückkehr der Schulen zum Abitur in neun Jahren (G 9) findet landesweit nur müde Resonanz. Ganze zehn der 630 Gymnasien beabsichtigen bisher, ihre Schüler ab Sommer 2011 wieder in neun Jahren zum Abi zu führen. Das Interesse gilt längst der Frage, wie man Stress und hohe „stoffliche Belastung“ in Zeiten des Turbo-Abiturs reduziert. „Hier muss etwas geschehen“, folgerte Löhrmann, „systematisch und gründlich – aber kein Schnellschuss“.

Einen unterrichtsfreien „pädagogischen Tag“ erlaubt sie den Gymnasien, um die von ihrem Haus beschriebenen Maßnahmen zu diskutieren und – freiwillig – in den Schulalltag zu übernehmen. Denn der Bedarf ist höchst unterschiedlich: Einige Schulen haben den Hebel zu G 8 recht reibungslos umgelegt, andere sind mit den neuen Strukturen stark überfordert. Handlungsbedarf sieht Löhrmann auf sieben Feldern:

Gleichgewicht zwischen Haus- und Schulaufgaben

Bei einem prallvollen Stundenplan muss vor allem ein „neues Gleichgewicht“ zwischen Haus- und Schulaufgaben gefunden werden. Nur noch das „wirklich Notwendige“ soll daheim erledigt werden. „Nach einem Schultag bis in den Nachmittag ist für Hausaufgaben kein Platz mehr“, sagt Löhrmann klipp und klar. Das sei zwar geltende Erlasslage, aber offenbar längst nicht überall angekommen.

Den Fachkonferenzen in den Schulen will die Landesregierung mit Muster-Curricula helfen, ihre schulinternen Lehrpläne anzupassen und dort, wo es möglich ist, abzuspecken. Damit sollen in erster Linie mehr Freiräume geschaffen werden, um Unterrichtsstoff besser wiederholen oder vertiefen zu können. Ergänzungsstunden sollen von den Schulen flexibel genutzt werden können, um die individuelle Förderung der Schüler zu verbessern.

Eine deutliche Entlastung von Schülern und Lehrern verspricht sich Löhrmann durch einen neuen Rhythmus im Schulalltag. Schon jetzt rücken immer mehr Gymnasien vom üblichen 45-Minuten-Takt ab, ihre Schüler lernen in Einheiten von 60, 75 oder 90 Minuten. Damit soll Platz erschaffen werden für längere Lernphasen und intensiveres Üben. Löhrmann: „Der so angelegte Unterricht kann viel stressfreier gestaltet werden.“

Mehr Hilfen für Lehrer

Seit dem Schuljahr 2006/2007 starten die Schüler in Realschulen, Gymnasien und Gesamtschulen ihre zweite Fremdsprache in Klasse 6. Mehr Erfolg verspricht sich Löhrmann, wenn sich der Unterricht stärker am Alter, den Vorkenntnissen und – wenn möglich – an den Herkunftssprachen der Kinder orientiert. Dazu kündigte sie mehr Hilfen für die Lehrer an. Vor allem bei Fremdsprachen sollen Schüler vom häuslichen Lernen entlastet werden.

Neben dem Ausbau des Ganztags und der pädagogischen Übermittagsbetreuung soll die Lehrerausbildung verbessert werden. Bisher seien Diagnose- und Beratungskompetenz, aber auch die Anforderungen durch individuelle Förderung nicht ausreichend beachtet worden. Und: Schulen sollen stärker vernetzt werden, um voneinander lernen zu können.

Einen Befreiungsschlag bei G 8 werde es nicht geben, mahnte Löhrmann, jede Schule müsse ihr eigenes Konzept entwickeln. Dass die G 9-Ära in NRW zu Ende geht und es kein einfaches Zurück mehr gibt, rief ihr die Opposition in Erinnerung. Die Ministerin ergreife die „Flucht nach vorn“, kritisierten CDU und FDP, denn sie habe sich „in eine Sackgasse manövriert“.

Weitere wichtige Landtagsbeschlüsse im Überblick:

Abschaffung des Grundschulgutachtens

Für die angekündigte Stärkung des Elternwillens steht vor allem die Abschaffung des verbindlichen Grundschulgutachtens, das bisher vorschreibt, welche weiterführende Schule ein Kind nach der Grundschule be­sucht. Damit entfällt auch der Prognose-Unterricht, mit dem ein Kind im Streitfall getestet wurde. Bereits erteilte Empfehlungen der Grundschulen sind nicht mehr verbindlich.

Keine Kopfnoten mehr

Die drei umstrittenen Kopfnoten werden nach dem Landtags-Beschluss abgeschafft. Sie sollen schon nicht mehr auf dem Halbjahreszeugnis Anfang Februar erscheinen. Stattdessen können die Schulen den Eltern in schriftlich ausgearbeiteter Form eine Rückmeldung über das Arbeits- und Sozialverhalten der Kinder geben. Darüber muss bei Bedarf jeweils die Schulkonferenz entscheiden.

Kommunen können Grundschulbezirke wieder einführen

Die Grundschulbezirke werden nicht flächendeckend wieder eingeführt, aber die Kommunen können dies in Eigenregie durchsetzen. Dann muss ein Kind im Einzugsbereich der Wohnung eingeschult werden. Rot-Grün hält es für vorteilhaft, wenn Grundschulkinder einen gemein­samen Schulweg haben und nachmittags zusammen spielen können. Außerdem sei das Schulangebot besser planbar.

Wiedereinführung der Drittelparität

Mit der Wiedereinführung der sogenannten Drittelparität dreht die Koalition eine weitere Gesetzeskorrektur zurück, die von der Regierung Rüttgers be­schlossen worden war. Künftig haben Lehrer, Eltern und Schüler wieder zu je einem Drittel Stimmrecht in der Schulkonferenz. Bisher hatten Lehrer 50 Prozent plus der Stimme des Schulleiters. Die Änderung gilt ab dem kommenden Schuljahr.