Berlin. Eine Think-Tank-Analyse legt enge Verbindungen zwischen zwei Bauernverbänden und extrem rechten Akteuren nahe. Alle Hintergründe.
Hans-Georg Maaßen, einst Präsident des Verfassungsschutzes und nun selbst von eben diesem als Rechtsextremist eingestuft, steht vor einer Sitzlandschaft aus Stühlen und Stroh. Vor seinem Rednerpult sind Kürbisse aufgereiht. „Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich bin ein Ketzer, und ich glaube nicht an den menschengemachten Klimawandel.“ Nach diesem Satz lässt Maaßen eine Pause für den aufbrandenden Applaus.
„„Ich bin ein Ketzer und ich glaube nicht an den menschengemachten Klimawandel.““
Die ungewöhnliche Kulisse hat einen Grund, Maaßen spricht an diesem Sonntag im September 2023 bei der Veranstaltung „Bauern tot – alle in Not“. Er redet über Landwirtschaftspolitik, übers Gendern, über „Haltungsjournalisten“, über eine „ideologische, politische Clique in Deutschland“ und über „eine transformierte Gesellschaft“, ein Begriff aus der rechten Verschwörungsideologie des „Great Reset“. Immer wieder applaudiert sein Publikum. Die Rede ist das große Finale einer fast siebenstündigen Aneinanderreihung von Vorträgen.
Bauern und Verschwörungsideologen Seite an Seite
Weitere Redner sind der „Klimaskeptiker“ Klaus Ermecke (Vortragstitel: „Jahrtausendlüge ‚Klimaschutz‘“) und der Autor Markus Krall. Krall war nach Recherchen der „Zeit“ in den Plänen der Putschisten um Prinz Reuß als neuer Wirtschafts- und Finanzminister vorgesehen. Im Dezember 2022 hatte es zahlreiche Festnahmen im Umfeld von Heinrich XIII. Prinz Reuß gegeben. Er soll gemeinsam mit anderen Reichsbürgern einen „Putsch“ gegen die Bundesregierung geplant haben. Derzeit ermittelt der Generalbundesanwalt gegen mehrere Personen um Reuß, der Tatvorwurf: Gründung und Mitgliedschaft einer terroristischen Vereinigung.
Direkt nach Krall spricht Jann-Harro Petersen, einer der Organisatoren des Events, moderiert wird es von Peter Guhl. Beide sind Landwirte und Mitglieder der Bundesvertretung der Freien Bauern.
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Die Freien Bauern sind eine Interessensvertretung, die zuletzt im Rahmen der Bauernproteste besonders aktiv war. Laut einer Analyse der Denkfabrik Institute for Strategic Dialogue (ISD), die dieser Redaktion vorab vorliegt, bot die Konferenz, bei der Guhl und Petersen sprachen, „bekannten rechtsextremen und verschwörungsideologischen Akteuren aktiv eine Plattform und stellte Verbindungen zwischen ihnen und einigen Organisatoren der Bauernproteste vom Dezember 2023 und Januar 2024 her“.
Rechtsextreme Positionen innerhalb der Bauernschaft
„Man ist anfangs davon ausgegangen, dass sich die Rechten innerhalb der demonstrierenden Landwirte breitgemacht und deren Demos unterwandert haben. Tatsächlich konnten wir aber belegen, dass einige Landwirte selber mit einem größeren verschwörungsideologischen Netzwerk verbunden sind, das sogar über Deutschland hinausgeht“, sagt Paula Matlach vom ISD Germany, Co-Autorin der Kurzanalyse. Laut Matlach wurden die „Bauernproteste demnach nicht nur von rechts gekapert“, sondern die extrem rechten „Gesinnungen“ seien teils von den Landwirtinnen und Landwirten selber gekommen.
Unsere Redaktion konnte die untersuchten Videos, Fotos und Beiträge von bestimmten Social-Media-Profilen nachverfolgen. Es zeichnet sich ein Bild, in dem einzelne Akteure aus den selbstorganisierten Bauernverbänden den Kontakt zu extremen Rechten und Verschwörungsideologen nicht scheuen – und offenbar gezielt suchen.
So sprach Landwirt Petersen auch auf einer Veranstaltung der selbsternannten Kieler Gelbwesten. Diese Vereinigung protestierte zunächst vor allem gegen die Coronaimpfungen und gegen die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Anfang dieses Jahres ging die kleine Gruppierung auch gegen Erhöhungen von Mautgebühren und CO₂-Steuer auf die Straße.
Verknüpfungen mit internationalen Rechtsextremen
Auch zu ausländischen rechtsextremen Akteuren konnte das ISD Verbindungen nachzeichnen. Hier fällt besonders Anthony Lee auf, Landwirt, Bundessprecher des Vereins Landwirtschaft verbindet Deutschland (LSVD) und Europawahl-Kandidat der Freien Wähler. Lee gab der rechten Zeitung „Junge Freiheit“, wo er auch selbst einen Beitrag veröffentlichte, ein Interview, ebenso dem österreichischen Fernsehsender AUF1, auf dem sonst Verschwörungsideologen und AfD-Politiker wie Björn Höcke und Alice Weidel zu sehen sind.
Während eines Protestes auf der A2 ließ Lee sich von der niederländischen Influencerin Eva Vlaardingerbroek interviewen. Diese wiederum ist bekannt durch Auftritte bei den rechtsalternativen Medienschaffenden Julian Reichelt und Tucker Carlson. Im Gespräch sagt Lee, die Bauern hätten sich international vereinigt, um „die Politiker loszuwerden, die uns loswerden wollen“. Die Bevölkerung habe keine Lust mehr auf „Politiker, die lügen“.
Zwei Bauernverbände im Mittelpunkt
Anthony Lee hielt auch eine Rede bei einer Kundgebung der Freien Bauern. Auch Jann-Harro Petersen ist mit beiden Verbänden verknüpft, er ist stellvertretender Vorsitzender des regionalen Ablegers Landwirtschaft verbindet Schleswig-Holstein/Hamburg. Der Verein ist in 13 regionalen Untergruppierungen aufgeteilt. Von Petersen findet sich außerdem ein Interview mit der britischen Organisation Hearts of Oak. Die Vereinigung wurde von mehreren Ex-Mitgliedern der UKIP-Partei und dem Rechtsextremisten Tommy Robinson gegründet.
Die Analyse des ISD kommt bei Betrachtung der Reden und Interviews vor allem von Lee und Petersen sowie Aktivitäten einzelner anderer Personen zu dem Schluss, dass es „ein internationales Netzwerk bestehend aus Landwirten, alternativen Medien, Verschwörungsgläubigen und rechtsextremen Akteuren, die Klimawandelleugnung, antisemitische Verschwörungen und eine Missachtung ihrer demokratisch gewählten Regierungen verbreiten“, gibt.
Freie Bauern wehren sich gegen die Vorwürfe
Auf Nachfrage dieser Redaktion teilte Reinhard Jung, Referent für Politik und Medien der Freien Bauern, mit, das von Petersen veranstaltete Event sei „privat organisiert und fand ausdrücklich ohne Beteiligung von Verbänden statt“. Auf der Veranstaltung seien keine Positionen der Freien Bauern formuliert worden, man würde „ausschließlich zu agrarpolitischen Inhalten Stellung nehmen“ und keine extremen Positionen vertreten.
Jann-Harro Petersen äußerte sich auf Nachfrage ebenfalls. Er würde rechtsextreme Positionen grundsätzlich ablehnen und hätte sie auch nie vertreten. Er stellte weiterhin fest: „Ich beteilige mich auch an Veranstaltungen, rede auf Veranstaltungen und gebe Medien Interviews, bei denen ich mir nicht sicher bin, ob diese zu 100 Prozent meine Auffassungen vertreten.“ Weiter sagte Petersen: „Kontroverse Diskussionen und unterschiedliche Meinungen sind für mich ein Wesensbestandteil der freiheitlichen Demokratie.“ Es sei ihm nicht möglich, jeden seiner privaten oder ehrenamtlichen Kontakte zu überprüfen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Freien Bauern mit Rechtsaußen in Verbindung gebracht werden. Schon 2021 schrieb Bundessprecher Alfons Wolff positiv über Gespräche mit der AfD. Vor wenigen Tagen distanzierte sich Klaus-Peter Lucht, Präsident des Bauernverbandes Schleswig-Holstein, von den Freien Bauern.
Deutscher Bauernverband kritisiert ISD-Analyse
Der Pressesprecher des Deutschen Bauernverbandes, Axel Finkenwirth, kritisierte die Analyse des ISD stark. Sie würde ein „völlig einseitiges, undifferenziertes Bild über die Proteste der deutschen Landwirtschaft“ zeichnen und versuchen, „mit ein paar selektiven Einzelbeispielen und auf unwissenschaftliche Weise die gesamte Protestbewegung in die rechte Ecke zu stellen“.
Der Deutsche Bauernverband habe sich in den vergangenen Wochen mehrfach unmissverständlich gegen jede Form von Extremismus und Verfassungsfeindlichkeit ausgesprochen. Zu anderen Verbänden und Gruppierungen würde man sich grundsätzlich nicht äußern. Der Verein Landwirtschaft verbindet Deutschland und Anthony Lee antworteten nicht auf Anfragen zu den Vorwürfen.
Wurden Blockaden von rechts organisiert?
Die Blockade einer Fähre, auf der sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) befand, ist den Autoren der Analyse zufolge „Ausdruck der Verbindungen zwischen einigen lokalen Landwirten und Rechtsaußen“, und zeige das Mobilisierungspotenzial, das von diesen Verbindungen ausgeht.
Nach Recherchen der „Zeit“ wurde die Information über die Ankunft der Fähre aus rechtsextremen Kreisen an die protestierenden Bauern weitergegeben. Ob auch die Blockade des politischen Aschermittwochs der Grünen in Biberach auf diese Kreise zurückzuführen ist, ist noch unklar.
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