Düsseldorf. Städte und Gemeinden sollen jetzt die Grundlagen liefern, wie vor Ort die „Wärmewende“ laufen soll. NRW könnte da vergleichsweise schnell sein.
Nach der Einigung auf Grundzüge eines künftigen Heizungsgesetzes der Ampel-Koalition in Berlin, über das der deutsche Bundestag noch vor seiner Sommerpause entscheiden soll, können Hauseigentümer erstmal aufatmen. Denn bevor sie aufgefordert werden, Gas- oder Ölheizung zugunsten klimafreundlicher Technik zu tauschen, sollen Städte und Gemeinden Grundlagen liefern, was in ihrem Beritt technisch möglich und gefordert ist, für die Wärmewende. In NRW werden jetzt schon vereinzelt die Weichen für diese „kommunale Wärmeplanung“ gestellt. Einige Fragen und Antworten:
Müssen Hausbesitzer ab Januar 2024 unter bestimmten Voraussetzungen ihre Heizungen klimafreundlich umrüsten?
Nein, die Ampel-Koalition in Berlin hat nach wochenlangem Streit auf die teils massive Kritik reagiert. Der Fokus des geplanten Gebäudeenergiegesetzes liegt jetzt darauf, erstmal die Rahmenbedingungen zu schaffen, welche klimafreundlichen Wärme-Quellen es in einer Stadt oder Gemeinde überhaupt gibt. Lässt sich vor Ort Fernwärme ausbauen? Gibt es die Chance zu Großwärmepumpen, zum Beheizen ganzer Quartiere? Der Zwang zur klimafreundlichen Heizung - etwa durch Wärmepumpe - soll ab dem 1. Januar 2024 nur für Neubaugebiete gelten. Konkrete Auswirkungen auf Bestandsgebäude gibt es erst in einigen Jahren.
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Was ist unter „kommunaler Wärmeplanung“ zu verstehen?
Es geht um nichts weniger, als die „Wärmewende“ - weg von fossilen Brennstoffen, hin zum klimafreundlichen Heizen. Knapp die Hälfte der Wohnungen in Deutschland werden mit Gas beheizt, mehr als ein Viertel mit Öl. Die klimafreundlichere Fernwärme hat laut Daten des Bundeswirtschaftsministerium aus dem Jahr 2019 hingegen bis dato knapp 14 Prozent Anteil. Wo lässt sich das ausbauen? Welche anderen Wärme-Träger sind vor Ort nutzbar und welche Schritte sind nötig, sie nutzbar zu machen? Das sind einige der Fragen, die unter dem Begriff „kommunale Wärmeplanung“ zusammengefasst werden. >> Auch interessant:Habecks Heizungsgesetz: Alle Regeln im Überblick
Wo steht die „kommunale Wärmeplanung“ in NRW?
Noch ziemlich am Anfang. Die schwarz-grüne Landesregierung hat Anfang 2022 die Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz gegründet, unter dem Dach des NRW-Wirtschaftsministeriums in Düsseldorf. Sie soll die Kommunen u.a. bei der „kommunalen Wärmeplanung“ in NRW beraten. Denn das Ziel ist, dass in den kommenden Jahren nahezu alle 396 Städte und Gemeinden in NRW einen lokal zugeschnittenen „Maßnahmenkatalog“ erstellen, wie die Wärmeversorgung der Zukunft vor Ort aussehen soll. Die Gesellschaft, die online unter dem Namen energie4climate.nrw firmiert, soll auch bündeln, was es bis dato an Erkenntnissen und Wissen in NRW gibt, etwa zur Geothermie und zum Zustand der Wohngebäude.
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Was müssen Städte und Gemeinden in NRW jetzt tun?
Sie sollten jedenfalls nicht abwarten, bis rechtlich alles ‘in trockenen Tüchern’ ist, also das Bundesgesetz zur Heizungswende (Wärmeplanungsgesetz) steht und daraus abgeleitet, dann die Länderparlamente ihre notwendigen Gesetze beschließen, denn der Bund kann den Städten und Gemeinden direkt keine rechtlichen Vorgaben machen. „Mit der kommunalen Wärmeplanung kann bereits jetzt begonnen werden“, sagt Christian Tögel, Leiter Bereich regionaler und kommunaler Klimaschutz bei Energy4Climate.nrw. Was nun als Erstes ansteht? Daten auswerten, um einen Überblick zu haben, in welchem Zustand sind die Gebäude vor Ort, wie alt und wie gut oder schlecht gedämmt - und über welche Energieträger werden sie mit Wärme versorgt, beschreibt Tögel. Und natürlich: Was an alternativen Wärmequellen ist vor Ort möglich und sinnvoll?
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Wie groß ist der Aufwand in den Städten und Gemeinden?
Enorm, sagt Christian Tögel. Auch deshalb sei Energy4Climate.nrw gegrünet worden, um die Kommunen zu unterstützen. Insgesamt habe die Landesgesellschaft etwa 100 Mitarbeitende, „aber nicht alle für den Bereich Wärmeplanung“, sagt Tögel. Doch in NRW seien die Voraussetzungen mit den Wärmeplänen voranzukommen sehr gut, anders als in den anderen Bundesländern: „Viele der nötigen Daten, um einen Überblick zu Alter und Versorgungsart von Gebäuden in den Kommunen zu bekommen, liegen in NRW bereits vor. Das ist einmalig in Deutschland. Das Landesamt für Umwelt und Naturschutz bietet diese Daten bundesweit einmalig den Kommunen in NRW kostenlos an“, sagt Tögel. >> Auch interessant:Gasheizung: Wer diese überraschende Alternative nutzen kann
Wie viel Zeit haben die Kommunen?
„Große Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern sollen ihre Wärmepläne zuerst vorlegen“, sagt Christian Tögel: Die Ampel-Koalition setze Stand jetzt Ende 2027 als Frist. Kleinstädte zwischen 10.000 und 100.000 Einwohner sollen ein Jahr mehr Zeit bekommen, also bis Ende 2028. Wirklich viel Zeit sei das laut Tögel aber nicht, er spricht von „herausfordernden Zielen“, die die Bundesregierung setze. Beim Städte- und Gemeindebund schätzt man es als „realistisch“ ein, dass die Städt die Frist einhalten. Das Aufstellen eines Wärmeplanes dauere zwei bis drei Jahre.
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Geht es bei der Wärmeplanung nur um Wärmequellen?
Nein, sagt Christian Tögel: „Bei der kommunalen Wärmeplanung geht es nicht nur um mögliche klimafreundliche Wärme-Quellen, sondern auch um den Ist-Zustand von Gebäuden; denn bevor es an den Austausch von Heizungen geht, steht als erster Schritt die Gebäudesanierung an.“
Gibt es schon Vorreiter bei den Kommunen in NRW?
Es tut sich einiges, sagt Christian Tögel. Bei Energy4Climate.nrw sei man derzeit in NRW mit „Starter-Workshops“ unterwegs, um vor Ort über die anstehenden Aufgaben und die Unterstützung zu informieren, die die Landesgesellschaft bietet. Die Stadt Mönchengladbach habe bereits ein Gesamtkonzept in Auftrag gegeben, was konkret vor Ort für die Treibhausgasneutralität in Sachen Energiewende und Wärmeplanung getan werden soll. Die Stadt Köln will gar bis 2035 klimaneutral sein - „zehn Jahre früher als gesetzlich in Deutschland vorgeschrieben“, heißt es bei Energy4Climate. Noch in diesem Jahr soll in Köln ein „Energienutzungsplan“ vorliegen, aus dem sich die weiteren Schritte ergeben. Der Kreis Siegen-Wittgenstein will für seine zehn kreisangehörigen Kommunen die Wärmeplanung bündeln; auch mit Blick auf Fördermittel, die Land NRW und der Bund in Aussicht stellen. Ebenfalls als Vorreiter gilt das westfälische Verl, heißt es bei Energy4Climate.
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Wie wird der Sinneswandel beim Heizungsgesetz der Ampel-Koalition bewertet?
Der Deutsche Städtetag lobt, „Wärmeplanung first, das ist die richtige Reihenfolge für die Wärmewende“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy: Es brauche die „Grundlage“, damit die Menschen „wissen, welche klimaneutrale Heizungsart für ihre Stadt und das eigene Viertel sinnvoll ist und ausgebaut werden soll.“ Christian Tögel meint: „Der überarbeitete Gesetzentwurf zäumt das Pferd „Wärmewende“ jetzt endlich nicht mehr von hinten auf. Es ist absolut sinnvoll, die notwendigen Veränderungen auf der Basis kommunaler Wärmepläne zu machen.“ Der Bundesverband Wärmepumpe kritisiert: „Die Einigung der Ampelfraktionen bedeutet in erster Linie eine Aufschiebung von Planungssicherheit für Industrie, Handwerk und Verbraucher*innen. Bis zum Vorliegen von kommunalen Wärmeplänen erhalten die Betroffenen keine Orientierung, welche Heizungssysteme sie im Falle eines anstehenden Heizungstauschs auf den Weg zur Klimaneutralität bringen.“