Berlin. Die Zahl der Operationen in Deutschland steigt und steigt - seit 2005 um mehr als ein Viertel. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist Deutschland damit auch weltweit an der Spitze. Manche Experten sehen den Grund dafür hauptsächlich im Preissystem für die Krankenhäuser.

Die Zahl der Operationen in Deutschland steigt und steigt - seit 2005 um mehr als ein Viertel. Gab es damals rund 12,1 Millionen chirurgische Eingriffe, waren es 2011 schon fast 15,4 Millionen. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist Deutschland damit auch weltweit an der Spitze. Das geht aus der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion hervor. Zuerst hatte darüber die «Passauer Neue Presse» berichtet.

Die Entwicklung ist bekannt. Ein internationaler Vergleich der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ergab jüngst, dass hierzulande mit 240 Klinikaufenthalten pro 1000 Einwohner und Jahr so viele Menschen stationär behandelt werden wie sonst in kaum einem anderen Industriestaat. Nur Österreich liegt mit einem Wert von 261 darüber. Im OECD-Durchschnitt sind es 155. Bei Herz-Kreislauf-Behandlungen und künstlichen Hüften ist Deutschland danach Weltmeister, bei Krebstherapien liegt es auf Platz zwei.

Eines der Länder mit den meisten Kaiserschnitten

Die Zahl der Wirbelsäulen-OPs hat sich laut Gesundheitsministerium zwischen 2005 und 2011 immerhin mehr als verdoppelt - von 326 962 auf 734 644. Im Jahr 2010 gab es in Deutschland mit 295 pro 100 000 Einwohner so viele Hüftoperationen wie nirgends sonst in Europa. Auch bei Knie-OPs liegt Deutschlands Quote mit 213 Eingriffen im europäischen Vergleich vorne.

Die Bundesrepublik ist zudem eines der Länder mit den meisten Kaiserschnitten. Von 1000 Babys im Jahr 2010 kamen 314 - und damit fast ein Drittel - per Kaiserschnitt zur Welt. Im OECD-Vergleich war die Quote mit 448 je 1000 Geburten lediglich in Mexiko, in Korea (352) und in der Schweiz (328) höher.

Das Bundesgesundheitsministerium führt «weniger als 40 Prozent» des OP-Zuwachses auf die zunehmende Alterung der Bevölkerung zurück. Wie der restliche Leistungsanstieg zu erklären ist, darüber soll eine vom Ministerium bei Ärzten, Kassen und Krankenhäusern in Auftrag gegebenen Studie Aufschluss geben.

Linke: "Sinnlose Anreize zum Schneiden"

Der Spitzenverband der Krankenkassen kritisierte: «Es ist offensichtlich, dass wir in Deutschland ein Problem mit medizinisch nicht notwendigen Operationen haben. Das liegt aber nicht an denen, die die Operationen hinterher bezahlen, sondern an denen, die zu viel operieren», sagte Verbandssprecher Florian Lanz.

Für den gesundheitspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Jens Spahn (CDU), wird in Deutschland ohne Zweifel mehr operiert als in anderen europäischen Ländern. Bis Jahresende solle die Studie erhellen, «ob bei uns zu viel operiert wird und warum». Jeder Patient müsse sich darauf verlassen können, dass nur operiert werde, «weil es medizinisch nötig ist und nicht, um den Umsatz zu steigern».

Die Linke führt die Entwicklung auf das Fallpauschalensystem und eine chronische Unterfinanzierung der Krankenhäuser zurück. «Da werden sinnlose Anreize zum Schneiden gesetzt, während die Mittel bei Heilung und Prävention fehlen. Die Fallpauschale muss fallen», sagte Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst der Zeitung. (dpa)