Berlin..
Viele Eltern durchleben in diesen Tagen eine Zitterpartie: Bekommen sie ab Herbst einen Platz für ihr Kleinkind in einer Betreuungseinrichtung oder nicht? Das ist auch gut drei Wochen vor dem Stichtag 1. August ungewiss. Dann tritt der Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kita oder Tagespflege für ein- und zweijährige Kinder in Kraft. Gerechnet wird bundesweit mit einem Bedarf von 780 000 Plätzen.
Nun schlägt Städtetags-Hauptgeschäftsführer Stephan Articus Alarm: Nach seiner Einschätzung fehlen mehr als 100 000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Er verteidigte in der „Südwest Presse“ am Dienstag die Kommunen gegen den Vorwurf, zu lange mit den nötigen Investitionen gezögert zu haben.
Im Bundesfamilienministerium hält man die Zahl für überzogen. Eine Sprecherin sagte auf Anfrage: „Ich kann Ihnen mit Stand heute sagen, dass es nach Sichtung der Zahlen, die uns die Länder ganz aktuell zur Verfügung gestellt haben, für die Schätzung von Herrn Articus keine Grundlage gibt.“ Ministerin Kristina Schröder (CDU) will am Donnerstag neue Daten präsentieren, die bis Ende Juni von den Ländern an das Ministerium übermittelt wurden.
Ebenfalls am Donnerstag wird das Statistische Bundesamt in Wiesbaden Zahlen veröffentlichen, allerdings mit Stichtag 1. März. Die Zählweisen beider Erhebungen weichen obendrein voneinander ab, sodass auch dann – drei Wochen vor dem Stichtag – wohl keine Klarheit über den genauen Stand herrschen wird.
Gerangel um den Ausbau
Das Gerangel zwischen Bund, Ländern und Kommunen um den Kita-Ausbau hat Tradition. Bei einem „Krippengipfel“ 2007 versprachen alle Teilnehmer, dass es künftig in Deutschland auch für Kinder unter drei ausreichend Betreuungsangebote geben soll. Ausgegangen wurde damals von einem durchschnittlichen Bedarf von 750 000 Plätzen. Dies wurde im Laufe der Zeit auf 780 000 Plätze angepasst. Im Frühjahr 2012 räumte der Städtetag ein, es werde angesichts des eher schleppenden Ausbaus vielerorts kaum möglich sein, den gewünschten Platz „gleich um die Ecke“ zu finden.
Schröder konterte damals: „Länder und Kommunen haben seit 2007 genug Zeit gehabt, den Bedarf an Kitaplätzen rechtzeitig zu ermitteln und sich um den Bau zu kümmern.“ Im Ministerium beklagte man immer mal wieder die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Länder und Kommunen, dort wiederum stöhnte man über „nicht dienliche Hinweise“ aus dem fernen Berlin. Eine dpa-Umfrage Anfang Juni machte deutlich, dass sich vor allem im Westen große Lücken auftun.
Kommt nun eine Klagewelle? Thomas Meysen vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht rechnet nicht damit. Es werde zwar einzelne Klagen geben und dementsprechend eine Rechtsprechung. „Aber ich erwarte, dass die Jugendämter sehr bemüht sein werden, jeweils eine Lösung zu finden“, sagt der Experte. Das Gericht könne auch nur die Kommune auffordern, einen Platz zur Verfügung zu stellen, betont Meysen. „Kein Gericht kann einen Platz zaubern.“