Essen. „Spät, aber nicht zu spät“ ist die Aktion überschrieben, die das Simon Wiesenthal Center in deutschen Großstädten startet. Auf Plakaten wird nach den letzten in Deutschland lebenden SS-Wachleuten gesucht, die vor Gericht gestellt werden sollen. Für zweckdienliche Tipps soll es Bares geben.

Mit einer spektakulären Plakataktion „Spät, aber nicht zu spät“ in deutschen Großstädten will das Simon Wiesenthal Center Informationen über die letzten in Deutschland lebenden SS-Wachleute gewinnen, um sie vor Gericht zu bringen. Für sachdienliche Hinweise aus der Bevölkerung setzt das Institut eine Belohnung bis zu 25 000 Euro aus.

Efraim Zuroff, Direktor des Zentrums, sagte der WAZ, er glaube, dass von den damals 6000 Wachleuten der Vernichtungslager – das waren die Konzentrationslager Auschwitz, Treblinka, Majdanek, Belzec und Sobibor im besetzten Polen – und der Einsatzgruppen noch 120 leben könnten, „die Mehrheit in Deutschland“.

Mehr als 60 von ihnen könnten bei Berücksichtigung des Gesundheitszustands auch noch angeklagt werden. „Wir haben zwei oder drei Jahre Zeit, dies noch zu tun“, sagte Zuroff mit Blick auf das hohe Alter der früheren KZ-Schergen, die heute teils älter als 90 sind.

„Helfen Sie uns“

Die Aktion im Rahmen der ­„Operation Last Chance II“ startet am Dienstag mit 2000 Plakaten in Hamburg, Berlin und Köln. „Millionen Unschuldiger wurden von den Nazi-Kriegsverbrechern ermordet. Einige der Täter sind frei und am ­Leben. Helfen Sie uns, diese vor ­Gericht zu bringen“, heißt es auf den grau und rot eingefärbten Postern.

Die Zahl der Gesuchten, die ­Zuroff nennt, stimmt in etwa überein mit der der Zentralen Stelle der Länderstaatsanwaltschaften in Ludwigsburg, deren Chef Kurt Schrimm in einem WAZ-Interview im April von 50 noch lebenden KZ-Wach­leuten allein aus dem Vernichtungslager Auschwitz gesprochen hatte.

Erste Hinweise gehen ein

Anders als Schrimm sagt Zuroff, er kenne keine Namen. Seit ersten ­Berichten über die Aktion in dieser Woche habe das Center aber schon drei neue Hinweise erhalten. „Wir haben eine Chance“, so Zuroff.

Zwischen der Ludwigsburger Behörde und der Nichtregierungsorganisation Simon Wiesenthal Center ist die Nennung der Namen offenbar strittig. Die Zentrale Stelle verweist auf den Datenschutz. Zuroff sagt dagegen: „Dieser heilige Datenschutz in Deutschland führt in gewissem Sinn dazu, dass Nazi-Kriegsverbrecher geschützt werden“. Allerdings sagt der US-Historiker, in Deutschland gebe es – anders als in anderen Staaten – den politischen Willen, die letzten lebenden Kriegsverbrecher vor Gericht zu stellen. Dabei sei aber die Umsetzung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.