Karlsruhe. Seit 2004 zahlen die deutschen Krankenkassen nur noch die Hälfte der Kosten für künstliche Befruchtung. Dagegen zog ein Ehepaar bis vor das Bundesverfassungsgericht - ohne Erfolg. Für die Richter ist Unfruchtbarkeit keine Krankheit.

Die gesetzlichen Krankenkassen müssen bei einer künstlichen Befruchtung weiterhin nur 50 Prozent der Kosten übernehmen. Die seit 2004 geltende Begrenzung des Zuschusses der Kassen sei verfassungsgemäß, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Donnerstag veröffentlichten Beschluss. Die Verfassungsbeschwerde eines Ehepaares aus dem Raum Ulm gegen die entsprechende gesetzliche Reglung wurde verworfen. Bis Ende 2003 mussten die Kassen die Kosten solcher Maßnahmen voll tragen.

Richter: kein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgebot

Die Karlsruher Richter sahen in der hälftigen Begrenzung der Kostenerstattung keinen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot. Medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft könnten nicht als Behandlung einer Krankheit angesehen werden. Sie dürften «als eigenständiger, nicht krankheitsbedingter Versicherungsfall» behandelt werden. «Die künstliche Befruchtung beseitigt keinen regelwidrigen körperlichen Zustand, sondern umgeht ihn mit Hilfe medizinischer Technik, ohne auf dessen Heilung zu zielen», betonte das Verfassungsgericht.

Der Gesetzgeber bewege sich im Rahmen seines Gestaltungsspielraums, wenn er sich bei Maßnahmen der künstlichen Befruchtung auf eine Teilförderung beschränke. Es bestehe keine staatliche Verpflichtung, die Entstehung einer Familie durch künstliche Befruchtung mit den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung zu fördern.

Das Ehepaar war zuvor vor dem Sozialgericht in Ulm, vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg und vor dem Bundessozialgericht gescheitert. Bei der 1970 geborenen Frau und ihrem 1964 geborenen Ehemann besteht eine Sterilität, deren medizinische Ursache ungeklärt ist. Für eine von ihnen geplante künstliche Befruchtung bewilligte ihre Krankenkasse im März 2005 eine Kostenübernahme von 50 Prozent.

Die Argumentation der Kläger

Diese hälftige Begrenzung sah das Ehepaar als verfassungswidrig an. Die Kläger meinten, bei der Unfruchtbarkeit eines Ehepaares handele es sich um eine Krankheit. Die künstliche Befruchtung bewirke insoweit «einen Funktionsausgleich». Es sei eine Ungleichbehandlung, wenn unfruchtbare Ehepaare auf eine nur teilweise Kostenerstattung verwiesen würden, während sonstige kranke Versicherte ihre Heilbehandlung voll bezahlt bekämen.

Zudem werde es einkommensschwächeren Versicherten erschwert oder sogar unmöglich gemacht, die Leistungen der künstlichen Befruchtung in Anspruch zu nehmen. Das Recht auf Nachkommenschaft werde durch die Kürzung des Leistungsanspruchs beeinträchtigt.

Das Verfassungsgericht räumte ein, dass es vorkommen könne, dass sozial schwache Personen die Kosten für die künstliche Befruchtung nicht finanzieren könnten. Das Bundesverfassungsgericht müsse sich aber sehr zurückhalten, dem Gesetzgeber hier zusätzliche Leistungsverpflichtungen aufzuerlegen - vor allem wenn sie aus den Beiträgen der Versichertengemeinschaft finanziert werden müssten.

Unverheiratete müssen Kosten voll tragen

Das Gericht hatte im Februar 2007 entschieden, dass nichteheliche Partner weiter die gesamten Kosten für eine künstliche Befruchtung selbst tragen müssten und die Kostenerstattung auf Ehepaare beschränkt bleiben dürfe. Die Ehe sei «eine Lebensbasis für ein Kind, die den Kindeswohlbelangen mehr Rechnung trägt als eine nichteheliche Partnerschaft», hieß es damals im Urteil. (ddp)

(AZ: 1 BvR 2982/07 - Beschluss vom 27. Februar 2009)


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