Brüssel/Berlin. Gegen ihren Willen werden Menschen zur Prostitution gezwungen - auch in Europa. Helfen sollte eigentlich ein EU-Gesetz aus dem Jahr 2011. Doch die Staaten sind mit der Umsetzung im Verzug. Auch Deutschland hinkt hinterher. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström nimmt die trödelnden Mitgliedstaaten in die Pflicht.
Europa kommt im Kampf
gegen den Menschenhandel nicht voran. Die Zahl der Opfer
von Zwangsprostitution, unfreiwilliger Arbeit oder Organhandel ist in den
vergangenen Jahren gestiegen. Das geht aus einer Studie hervor, die von der
Brüsseler EU-Kommission am Montag vorgestellt wurde. "Wir wissen leider heute
sicher, dass sich die Lage beim Menschenhandel in Europa
verschlechtert hat", erklärte EU-Innenkommissarin Cecilia
Malmström.
"Mehr als 23 600 Menschen waren im Zeitraum 2008 bis 2010
identifizierte oder vermutete Opfer von Menschenhandel
in der EU", sagte Malmström. Die Dunkelziffer dürfe noch höher liegen. "Was wir
wissen, ist nur die Spitze des Eisberges."
Deutschland hinkt bei der Umsetzung des EU-Gesetzes hinterher
Die Opferzahlen wuchsen dem
Bericht zufolge zwischen 2008 bis 2010 um 18 Prozent. Die Zahl der
Verurteilungen ging im gleichen Zeitraum aber um 13 Prozent zurück, auf 1339
Schuldsprüche im Jahr 2010. Zugleich sei es "enttäuschend" (Malmström), dass bisher erst sechs (Tschechien, Lettland,
Finnland, Ungarn, Polen und Schweden) der 27 EU-Länder das EU-Gesetz zum Kampf gegen den Menschenhandel vollständig umgesetzt haben. Es sieht
eine europaweite Definition des Tatbestands vor sowie eine schärfere Verfolgung
der Täter und einen besseren Schutz der Opfer.
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Auch Deutschland hinkt bei
der Umsetzung des EU-Gesetzes hinterher. Der deutsche Regierungssprecher Steffen
Seibert sagte am Montag in Berlin, ein Entwurf für eine deutsche Version der
EU-Richtlinie werde derzeit zwischen verschiedenen Ministerien
beraten.
Brüssel fordert Berlin zum Kampf gegen Menschenhandel auf
Die EU-Kommission hat Deutschland und andere Mitgliedstaaten bereits unter der
Androhung von Sanktionen aufgefordert, den Kampf gegen den in Europa zunehmenden
Menschenhandel zu verstärken. "Ich erwarte von allen
Mitgliedstaaten, dass sie ihren Verpflichtungen nachkommen und die EU-Richtlinie
gegen Menschenhandel ohne Verzögerung in nationales
Recht übertragen", sagte Malmström. "Ich werde nicht zögern, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit
das passiert". Dazu gehöre in letzter Konsequenz auch die Einleitung von
Verfahren wegen Verstoßes gegen EU-Recht, stellte die Kommissarin klar.
Mehr als zwei Drittel der Opfer von
Menschenhandel sind Frauen, die meisten von ihnen wurden
zur Prostitution gezwungen. Der Großteil der Opfer kommt aus dem Gebiet der 27
EU-Staaten, die meisten von ihnen aus Bulgarien und Rumänien. "Viele ... gehören
zur Minderheit der Roma und die Lebensbedingungen müssen sich erheblich
verbessern", mahnte Malmström. (dpa/afp)