An Rhein und Ruhr. Sie lehnen die freiheitlich-demokratische Grundordnung ab. Reichsbürger stellen eine zunehmende Gefahr dar.

Deutschland wird von Angehörigen eines „Deep State“, eines „tiefen Staates“ regiert. Eine „Allianz“ eines technisch überlegenen Geheimbundes von Regierungen, Nachrichtendiensten und Militärs anderer Länder wie Russland und der USA will Deutschland befreien. Um dieser Befreiung Vorschub zu leisten, und um mit den Siegermächten des Zweiten Weltkriegs eine neue staatliche Ordnung verhandeln zu können, muss der demokratische Rechtsstaat mit militärischen Mitteln beseitigt werden. Das ist, kurz zusammengefasst, nach Ansicht des Generalbundesanwaltes die Gedankenwelt der rechten Terrortruppe, die am Mittwoch aufgeflogen ist. Ihre Mitglieder sollen den Szenen von Reichsbürgern und Corona-Leugnern nahestehen. Bei den umfangreichen Durchsuchungen am Mittwoch wurden auch drei Objekte in NRW ins Visier genommen.

In den vergangenen Jahren hat sich der Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen gewandelt. Die Sicherheitsbehörden und Experten beobachten seit Längerem eine Vermischung verschiedener Szenen. Die Grenzen zwischen klassischen Rechtsextremisten und Neonazis, selbst ernannte Bürgerwehren, Reichsbürger und Verschwörungsideologen sind fließender geworden, es gibt personelle wie organisatorische Überschneidungen, auf Demonstrationen ist man gemeinsam aufmarschiert. Der Ausbruch der Corona-Krise und die staatlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus haben diesen Prozess beschleunigt.

Bereits Ende Oktober 2020 warnte eine Sprecherin des Landesinnenministeriums in der NRZ vor einer Radikalisierung der Corona-Proteste, die zu „schwersten und terroristischen Gewalttaten führen“ könne. Verschwörungsnarrative und extremistische Einstellungen bildeten eine „unheilige Allianz“. Der Düsseldorfer Rechtsextremismus-Experte Alexander Häusler sagte, es drohe die Gefahr einer „Radikalisierung auf Handlungsebene“. Tatsächlich wurde auf den Demonstrationen gegen die staatlichen Corona-Maßnahmen schon früh das Dämmern einer „Corona-Diktatur“ beschworen, gegen die man sich zu Wehr setzen müsse. Die jetzt aufgeflogene Terror-Truppe scheint ein Resultat dieser sich schon vor zwei Jahren abzeichnenden Entwicklungen zu sein.

Im Fokus der aktuellen Terror-Ermittlungen stehen Reichsbürger. Kern ihrer Ideologie ist die Überzeugung, die Bundesrepublik sei ein illegitimer Staat, das Deutsche Reich bestehe wahlweise in seinen Grenzen von 1871 oder denen der 1930er Jahre fort. Zur Szene werden in NRW laut dem aktuellen Verfassungsschutzbericht etwa 3400 Menschen gezählt, Tendenz: steigend. „Reichsbürger sind eine gefährliche Mischung aus Rechtsextremisten, Anhängern von Verschwörungsmythen und renitenten Staatsleugnern“, sagt Landesinnenminister Herbert Reul (CDU).

Reul reagierte entsetzt auf die Aufdeckung der Terror-Truppe: „Für mich ist es schwer erträglich, dass Täter mit einer solch abstrusen und menschenverachtenden Ideologie vor massiver Gewalt und selbst vor Tötungen nicht zurückschrecken.“ Tatsächlich soll die Terror-Truppe Tote bei der Umsetzung ihrer Umsturzfantasien „zumindest billigend in Kauf genommen haben“, so der Generalbundesanwalt. Besonders erschüttert ist der Landesinnenminister darüber, dass unter den Beschuldigten auch Menschen seien, „die als Angehörige von Militär und Sicherheitsbehörden Zugang zu Waffen haben“.

Unter denjenigen, die am Mittwoch in NRW einen Durchsuchungsbeschluss präsentiert bekamen, soll auch eine Sachbearbeiterin der Polizei gewesen sein. Immer sind in der Vergangenheit Polizisten durch rechtsextreme Umtriebe aufgefallen, zuletzt suspendierte die Münsteraner Polizeipräsidentin acht Elitepolizisten des SEK weil sie sich in Chats teilweise rechtsextremistisch ausgetauscht hatten.

Kein Grund zur Entwarnung in NRW

In den vergangenen Monaten haben die Corona-Proteste in NRW deutlich an Zulauf verloren, der von rechten Organisationen und Parteien wie der AfD aufgrund der steigenden Energiepreise herbeigesehnte „heiße Protestherbst“ ist bislang ausgefallen. Trotzdem gibt es keinen Grund zur Entwarnung in NRW, meint Rechtsextremismus-Forscher Häusler, auch der Schwerpunt der aktuellen Ermittlungen in anderen Bundesländern liege. „Diese Leute deradikalisieren sich nicht, eher das Gegenteil ist der Fall“, so der Experte. Noch immer ergebe sich eine „explosive Mischung aus den Mischszenen“. Das „rechte Aufstandsgebaren“ erfahre nun zudem eine neue Qualität, wo sich auch Menschen einbinden ließen, die aktiv in den Sicherheitsbehörden sind oder waren.