Offenbach. Nach ihrem Wahlerfolg in Berlin will die Piratenpartei zwei Tage lang über neue Schwerpunkte ihrer Politik diskutieren. Der Bundesvorsitzende forderte die Mitglieder auf, einen neuen Stil zu pflegen und Streit nicht über Twitter auszutragen: “Schimpfwörter in 140 Zeichen sind keine Transparenz.“

Nach ihrem Wahlerfolg vom
September in Berlin will die Piratenpartei zwei Tage lang über neue
Schwerpunkte ihrer Politik diskutieren. Rund 1.250 Mitglieder kamen dazu
am Samstag in Offenbach zu einem Bundesparteitag zusammen. "Hinter uns
liegt eine ereignisreiche Zeit, aber auch eine harte - und es liegt eine noch
viel schwierigere vor uns", sagte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz zum
Auftakt der Veranstaltung, deren Beginn sich wegen des großen Andrangs um rund
eine Stunde verzögerte.

"Wir sind in der Realpolitik
angekommen", sagte Nerz und warnte die Partei vor einer Spaltung:
"Die ersten Erfolge sind die Zeit der ersten Fehler - und diese Fehler
können eine Partei spalten." Er forderte die Mitglieder auf, einen neuen
Stil zu pflegen und Streit nicht über den Kurznachrichtendienst Twitter auszutragen.
"Schimpfwörter in 140 Zeichen sind keine Transparenz. Über Twitter oder
Facebook kann man einen Streit nicht beilegen, man kann ihn nur
eskalieren", sagte Nerz.

Wirtschaft und Außenpolitik gehören zu neuen Themen

Es wird erwartet, dass die Forderung nach
einem bedingungslosen Grundeinkommen zu einem weiteren Kernthema der Partei
wird. Daneben soll die Euro-Krise auf dem Parteitag eine Rolle spielen. Neben Kernthemen wie Datenschutz, Bürgerrechten und Bildung stehen Nerz zufolge "gänzlich neue Themen wie
Wirtschafts- und Außenpolitik" auf der Tagesordnung. Die knapp 19. 000
Parteimitglieder stellten rund 400 Anträge zur Abstimmung. Auf dem Parteitag
wird die Basis entscheiden: Erwartet wurden zwischen 900 und 1500 Mitglieder,
die alle abstimmungsberechtigt sind.

Einer der Streitpunkte des Parteitags wird
der Antrag des Vorstandsmitglieds Matthias Schrade zum Umgang mit der
Euro-Krise sein. Schrade fordert einen harten Kurs gegenüber Euro-Krisenländern
bis hin zum Ausstieg aus der EU und stellte einen Antrag, der wortgleiche
Formulierungen der Euro-Skeptiker um den FDP-Rebellen Frank Schäffler enthält.
Schrade wurde deshalb von anderen Piraten nahegelegt, die Partei zu verlassen.

Nerz: Piraten halten an Parteitagen für alle Mitglieder
fest   

Die Piratenpartei will auch in Zukunft an ihrem
basisdemokratischen Prinzip festhalten und alle Mitglieder zu ihren
Bundesparteitagen einladen. "Wir müssen für das nächste Mal eine größere Halle
suchen oder andere Konzepte wie dezentrale Parteitage ausarbeiten", sagte der
Sebastian Nerz am Samstag in
Offenbach. Wegen des großen Andrangs konnten dort zunächst nicht alle 1.300
angereisten Mitglieder in die Halle eingelassen werden.

Es gebe jedoch noch technische Probleme zu lösen und rechtliche
Fragen zu klären, bevor tatsächlich Parteitage an mehreren Orten gleichzeitig
stattfinden könnten. Nerz erteilte einem Delegiertensystem, wie es in anderen
Parteien üblich ist, eine Absage: "Wir wollen dieses basisdemokratische Element.
Wir wollen niemanden ausschließen." Über kurz oder lang werde es jedoch andere
Konzepte geben.

Nach ihrem Wahlerfolg in Berlin hatte die Partei innerhalb
weniger Wochen die Zahl ihrer Mitglieder um die Hälfte auf fast 19.000
gesteigert. Die Piraten verstehen sich als
sozialliberal und sind nach eigenen Angaben auf dem Weg von einer Protest- zu
einer Programmpartei. Bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus erreichten
sie 8,9 Prozent und liegen im Bundestrend derzeit bei sechs Prozent. (dapd/afp)