Berlin.. Kurz vor der Bundestagswahl stehen auch die Meinungsforschungsinstitute unter Druck wie lange nicht: Stimmungsschwankungen nach der Bayern-Wahl, ein Drittel unentschlossener Wähler und Leihstimmen-Kampagnen erschweren ihr Geschäft. Trotzdem wächst der Einfluss der Demoskopen.
Auf den letzten Metern vor der Bundestagswahl stehen auch die Meinungsforschungsinstitute unter Druck wie lange nicht: Stimmungsschwankungen nach der Bayern-Wahl, ein Drittel unentschlossener Wähler und Leihstimmen-Kampagnen erschweren ihr Geschäft. Trotzdem wächst der Einfluss der Demoskopen, denn Kurzentschlossene dürften sich wenige Tage vor der Wahl auch nach aktuellen Umfragen orientieren. Die aber sind umstritten.
Lange Zeit war die Veröffentlichung von Wählerbefragungen so kurz vor dem Urnengang tabu. Doch diesmal wird nach Informationen unserer Zeitung die Mehrzahl der Institute im Laufe dieser Woche neue Daten bei den Bürgern erheben, die teilweise erst am Wochenende veröffentlicht werden: Das ZDF kommt erstmals mit einer letzten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen am Donnerstag heraus, auch das Institut Insa bereitet neue Zahlen zur Veröffentlichung am Wochenende vor. Und Emnid wird Mitte der Woche Umfrageergebnisse liefern.
Wahlentscheidungen werden immer kurzfristiger getroffen
„In der Demokratie sollen Informationen nicht zurückgehalten werden, das gilt auch für demoskopische Untersuchungen“, sagt Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner. ZDF-Chefredakteur Peter Frey meint ebenfalls: „Die Bürger treffen immer kurzfristiger Wahlentscheidungen – warum sollten die Wähler dann weniger wissen als die, die zur Wahl stehen?“
Denn die Parteizentralen bekommen frische Daten der Demoskopen sowieso auf den Tisch und richten ihre Schluss-Kampagnen darauf aus. Doch andere Stimmen warnen: „In den letzten acht Tagen kann es zu enormen Stimmungsschwankungen kommen“, so WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn. Der einmal erfasste Trend könne, gerade dem Publikum präsentiert, schon wieder völlig überholt sein. Die ARD hat sich auch deshalb entschieden, in dieser Woche keine neuen Umfragedaten ihres „Deutschlandtrends“ mehr zu veröffentlichen.
30 bis 40 Prozent der Wähler sind noch unentschlossen
Gut 30 Prozent der Wähler waren nach Schätzungen der Institute Anfang der Woche unentschlossen, Emnid spricht gar von 40 Prozent, die „nicht festgelegt“ sind. „Weil die Parteien sich mehr zur Mitte hin orientieren, können sich mehr Wähler vorstellen, auch eine andere Partei zu wählen“, beschreibt Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen den Trend.
„Es wird sich was tun in dieser Woche“, ist auch Emnid-Chef Schöppner sicher. Die Frage sei zudem, wie sehr Protestwähler auf die Alternative für Deutschland setzen; die Eurokritiker bleiben ein Überraschungsfaktor.
Und die steigende Zahl der taktischen Wähler, die für ihre Entscheidung indes wiederum auf Umfragen angewiesen sind: Wer beispielsweise Schwarz-Gelb möchte, entscheidet sich jetzt womöglich auf Kosten der Union für die FDP. „Es gehört zu den heikelsten Herausforderungen zu prognostizieren, ob eine Partei es in den Bundestag schafft oder nicht“, sagt Infratest-Chef Hilmer. „Wenn Wähler den Eindruck haben, dass eine Partei keine Chance hat, kann das dazu führen, dass sie dieser Partei ihre Stimme vorenthalten.“