Essen/Berlin..
Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) hat das Verleugnen von Erfolgen seiner Agenda-2010-Reform in Teilen der SPD als schweren Fehler bezeichnet. Auf die Frage, ob die SPD das Brüsten mit den positiven Effekten der Union überlasse, sagt Schröder in dem neuen Interview-Buch „Klare Worte“: „So ist es, und zu ihren Eigenarten gehört auch, dass sie diesen Fehler nicht einsehen kann.“ Das im Herder-Verlag erscheinende Buch wird heute vorgestellt.
„Große Teile der SPD fanden die Agenda im Grunde eine Zumutung, die man bestenfalls hinnehmen kann, zu der man sich aber nicht bekennen darf“, sagt Schröder im Gespräch mit dem Journalisten Georg Meck. „Im Bundestag haben die Abgeordneten - auch unter dem Druck der Partei- und Fraktionsführung - zugestimmt, bis auf wenige Ausnahmen. Aber wenn sie sich dann in ihren Wahlkreisen dafür rechtfertigen sollten, haben sie weiche Knie bekommen und gesagt: Schröder hat uns gezwungen.“ 2003 hatte der damalige Kanzler wegen der hohen Arbeitslosigkeit die Reform auf den Weg gebracht.
In dem Buch kritisiert Schröder eine oft zu einseitige Sichtweise auf Russland und seinen Präsidenten Putin. Mit Blick auf die umstrittene Charakterisierung Putins als „lupenreinem Demokraten“ betont Schröder: „Ich relativiere meine Haltung zu Putin nicht.“ Allerdings halte er das Gesetz, das positive Äußerungen über Homosexualität in Gegenwart von Kindern unter Strafe stellt, für falsch. „Der Westen traut Putin nicht, und Putin traut dem Westen nicht“, bemängelt der SPD-Politiker. „Ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind - auf dem mühsamen Weg des russischen Staates und der russischen Gesellschaft, die Folgen einer jahrzehntelangen totalitären Herrschaft zu überwinden.“ Das sei seine Überzeugung aus vielen Gesprächen.