Essen. Brüssels nächster Schlag gegen das Rauchen: Die Europäische Union will die Zigarettenindustrie zu einer abschreckenden Verpackung zwingen. Das stößt auf viel Zustimmung. Aber die Branche denkt an eine Klage. Für ihren Markennamen bleibt nur wenig Platz.
Eine geschwärzte Raucherlunge oder eine krebszerfressene Zunge. Verstümmelte Zähne. Abgestorbene Füße. Ein beschädigter Fötus. Solche Bilder schrecken ab. Genau das will die EU-Kommission ab 2015 bewirken. Millionen Raucher auf dem Kontinent sollen jedes Mal einen Schock bekommen, wenn sie die Kippen kaufen. Und beim nächsten Mal sollen sie es dann bitte ganz lassen.
Tonio Borg, der Brüsseler Gesundheitskommissar, hat in einen Fundus von 42 vorhandenen Schock-Motiven gegriffen und gestern seinen radikalen Gesetzesplan öffentlich gemacht.
Die Verpackung. 75 Prozent der Oberfläche der Packung – auf Vorder- wie Rückseite – soll für Bilder kranker Organe genutzt werden. Für Markennamen bleibt der Rest.
Die Aromen. Geschmackstoffe wie Menthol oder Nelken, die den klassischen Zigarettengestank verdrängen, werden nach den Vorstellungen der Brüsseler Kommission in Zukunft ganz verboten sein.
Die Werbung. Formulierungen wie „mild“ und „leicht“ werden verbannt. Worte wie „natürlich“ und „biologisch“ sind in Zukunft tabu.
700 000 Tabak-Tote in Europa
„Die Verbraucher dürfen nicht in die Irre geführt werden“, sagt Borg, „Tabakerzeugnisse müssen wie Tabakerzeugnisse aussehen. Sie müssen auch so schmecken. Diese Vorschläge stellen sicher, das ansprechende Verpackungen und Aromastoffe nicht als Marketingstrategie eingesetzt werden.“
Die Rechnung des Kommissars ist kühl. 700 000 Menschen sterben jedes Jahr auf dem Kontinent an den Folgen des Tabakkonsums. 110 000 sind es in Deutschland. Die Hälfte von ihnen könnte ohne Zigaretten 14 Jahre länger leben. Mindestens. Und wenn die USA, Australien, Brasilien oder Kanada so abschreckend vorgehen können – warum nicht auch Europa?
Die EU wird ihr weit reichendes Vorhaben mit Parlament und Mitgliedsstaaten diskutieren. Es ist eine Richtlinie, keine Verordnung. Die Regierungen haben Spielraum für eine eigene Gestaltung. Doch in die Richtung der hart verpackten gesundheitlichen Botschaft an die Raucher wird es schon gehen.
Reemtsma will sich wehren
Australien macht es gerade vor. Aber so weit will die EU nicht gehen. Denn die Hersteller werden dort nicht nur zum Abdruck der Horror-Bilder kranker Organe verpflichtet. Sie müssen ihre Erzeugnisse auch in neutrale olivfarbene Einheitsschachteln packen. Ihr Markenauftritt wird gezielt zerstört. Eine Klage der Firmen hat der oberste australische Gerichtshof abgewiesen. Ein ähnliches juristisches Vorgehen der amerikanischen Produzenten ist dagegen in einer ersten Instanz in Washington erfolgreich gewesen.
Borgs Plan findet in Deutschland quer durch die Parteien breiten Zuspruch. Die grüne Gesundheitsministerin von NRW, Barbara Steffens, begrüßt das Vorgehen genau so wie der christdemokratische Europaabgeordnete Peter Liese aus Südwestfalen. Das Krebsforschungszentrum Heidelberg fühlt sich auf der Siegerseite: „Rauchen ist out, Nichtrauchen ist in – vor allem bei Jugendlichen. In den letzten zehn Jahren sank der Anteil rauchender Jugendlicher von 28 Prozent auf unter zwölf.“ Dennoch: EU-weit greift immer noch ein Drittel der Menschen zur Zigarette. In Deutschland ein Viertel.
Hersteller wie Reemtsma in Hamburg wollen sich das harsche Vorgehen nicht bieten lassen. Das Unternehmen lässt durchblicken, der EU-Plan verstoße gegen den Artikel 5 des Grundgesetzes, der die freie Meinungsäußerung garantiert. Das klingt wie die Ankündigung einer Verfassungsklage.