Hannover. SPD und Grüne in Niedersachsen haben endgültig die Weichen für eine neue rot-grüne Landesregierung gestellt. Jeweils einstimmig votierten die Delegierten auf zwei getrennten Parteitagen in Hannover am Samstag für die Koalitionsvereinbarung. Bereits am kommenden Dienstag soll der SPD-Spitzenkandidat und Landesvorsitzende Stephan Weil bei der konstituierenden Sitzung des Landtages in Hannover zum neuen Ministerpräsidenten gewählt werden.

"Jetzt geht`s los, jetzt geht`s los" - wie berauscht wirkten Niedersachsens Grüne von ihrer eigenen neuen Macht, als nach fünfeinhalb Stunden am Samstagabend endlich feststand: Ihre Basis kann mit dem rot-grünen Koalitionsvertrag leben. Und zwar sehr gut, obwohl es vorher stundenlang an vielen kleinen Punkten Kritik gab. Bei der SPD ging der Diskussionsprozess zuvor deutlich schneller: Weniger als zwei Stunden brauchten die Sozialdemokraten, um den Vertrag abzunicken - die Rede des Spitzenkandidaten Stephan Weil und eine Aussprache inklusive.

Schulterklopfen, Glückwünsche und ein paar mahnende Worte - beim SPD-Parteitag in Hannover herrschte fast ausgelassene Stimmung unter den Delegierten. Nach zehn Jahren Opposition und kurz vor dem angepeilten Neustart in die Regierungsverantwortung fiel die Kritik am rot-grünen Koalitionsvertrag gemäßigt aus. "Die brennen richtig drauf, sich jetzt selber einzubringen in die Regierungsarbeit", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Hanne Modder.

Eine halbstündige Rede von Weil mit Mahnung zur Geschlossenheit, einige kurze Wortbeiträge unter anderem mit Kritik daran, dass die Abschaffung der Studiengebühren nicht schneller geht, dann wurde die Regierungsvereinbarung auch schon einstimmig angenommen. "Wenn man sich einig ist, dann muss man auch nicht lange reden", meinte ein sichtlich zufriedener Weil.

Deutlich mehr Redebedaarf bei den Grünen

Deutlich mehr Redebedarf hatten da die Grünen. Die meiste Kritik gab es am Kompromiss zum Bau der umstrittenen Autobahnen A20 und A39, der nicht komplett gestoppt, aber immerhin auf die lange Bank geschoben wird. "Das, was unsere Wähler entlang der Wahnsinns-Betonpisten von uns erwartet haben, das haben wir nicht erreicht", resümierte Eva Viehoff aus dem Kreis Cuxhaven. Und Heiner Scholing aus dem Kreis Uelzen sagte: "Mir hat dieser Kompromiss persönlich wehgetan." Dennoch sei es in der Verkehrspolitik wohl das Beste, was zu holen gewesen sei, waren sich die Delegierten einig.

Kritik gab es auch an der Vereinbarung zum Ausschluss des Salzstockes Gorleben als Standort für ein Atomendlager. Grüne aus der Region monierten, die Absage an Gorleben sei im Wahlkampf wesentlich eindeutiger formuliert gewesen als nun im Koalitionsvertrag. Und Christa Karras, bis 1994 Staatssekretärin im ersten niedersächsischen Frauenministerium, bemängelte, sie sei enttäuscht, dass die Frauenpolitik im Koalitionsvertrag zu kurz komme.

Diskussion über Urprinzip der grünen Politik

Kontrovers geführt wurde zum Schluss die Debatte über eines der Urprinzipien grüner Politik, die Forderung nach einem Verzicht der Minister auf ihren Landtagssitz. "Ich bin entsetzt, dass es nicht selbstverständlich sein soll, dass die Minister ihr Mandat abgeben", kritisierte Britta Kellermann aus dem Kreis Hameln. Doch mit ihrer Forderung drangen die Fundamentalisten nur bei knapp einem Viertel der Delegierten durch.

Angesichts der äußerst knappen Mehrheit von nur einer Stimme sei die Lage in Niedersachsen eine besondere, betonten Fraktionsmitglieder wie Stefan Wenzel und Helge Limburg. Trotz der Differenzen in dieser Frage herrschte zum Schluss große Einigkeit: Ohne Gegenstimme nickte die Grünen-Basis den Koalitionsvertrag mit der SPD ab. (dpa/afp)