Dortmund.. Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat seinen Auftritt in Dortmund genutzt, um sich zu aktuellen Streitfragen zu äußern: Er plädierte für einen Mindestlohn, den Beitritt der Türkei zu Europa, eine verlässliche Partnerschaft mit Russland sowie für weitere Reformanstrengungen im Gesundheitssystem.
Eindringlich hat Altbundeskanzler Gerhard Schröder am Mittwoch (1. Februar) an der TU Dortmund für einen „Kampf um Demokratie in Europa“ geworben. Die Einigung des Kontinents sei ein „hohes Gut“, und ein Blick auf die Konflikte des Balkans oder auf die „bedenkliche Entwicklung in Ungarn“ zeige, dass das Erreichte „eben keine Selbstverständlichkeit“ sei. „Jede Generation wird neu für ein geeintes Europa kämpfen müssen.“
Die Bandbreite der Argumente passte ins Konzept seines Vortrags. Der Sozialdemokrat sprach an der Universität Dortmund über „Perspektiven und Herausforderungen für Deutschland und Europa in einer globalisierten Welt“. Eine kräftige Portion Eigenlob, deutliche Kritik an der amtierenden Bundesregierung, aber auch versöhnliche Töne prägten die Rede.
Scharf kritisierte der Altkanzler die Idee eines europäischen Sparkommissars, der die Haushalte der Krisenstaaten überwacht. Das sei „das Verkehrteste“, meinte er, sprach von einer „unseligen Debatte“ und warnte gerade Deutschland davor, sich in der EU als „Vormund“ aufzuspielen.
Der Regierung Merkel warf Schröder vor, zu Beginn der Krise „zu zögerlich“ agiert zu haben; eine schnellere Hilfe für Griechenland wäre wirksamer und preiswerter gewesen. Mit den aktuellen Beschlüssen aber gehe das Krisenmanagement „in die richtige Richtung“.
Eurobonds müssen kommen
Zu den beschlossenen Instrumenten müssten nun noch Eurobonds hinzu kommen, forderte Schröder und verlangte die rasche Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Aus deren Aufkommen könnten europäische Wachstumsprogramme finanziert werden. Mit „Sparen allein“ sei die Krise nicht zu überwinden, sondern berge „erhebliche Gefahren“. In Griechenland drohe die einseitige Sparpolitik, „die Volkswirtschaft zu strangulieren“.
Die Fiskalunion nannte Schröder eine „Zwischenlösung“ und warb: „Im nächsten Schritt werden wir eine europäische Föderation schaffen müssen.“ Das bedeute, dass die Kommission zu einer vom Europaparlament gewählten Regierung und der Europäische Rat zu einer zweiten Kammer entwickelt werden. Unausweichlich werde es dann zu einem Europa der zwei Geschwindigkeiten kommen, zu einer Spaltung in ein „Kerneuropa“ und ein „Randeuropa“.
„Nur ein vereintes Europa“ hat aus Schröders Sicht „eine Chance“, im globalen Geschehen gehört zu werden. Die USA richteten sich schon jetzt nach Asien aus und wendeten sich folglich weniger Europa zu. Innerhalb Europas müsse es zu einer Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse kommen.
Agenda 2010 als Vorbild
Schröder an der Uni
Der Redner lässt keinen Zweifel daran, dass der Weg dahin in Frankreich, Italien und Spanien über eine Kopie der „Agenda 2010“ führen muss. Die von ihm in Gang gesetzten Reformen der Sozialsysteme seien viel gescholten worden, sagte Schröder. Doch heute seien sie ein Grund dafür, dass Deutschland in der Krise als „Rettungsanker“ dastehe. Ein weiterer Grund, auch das unterstreicht Schröder, sei die Sozialpartnerschaft. „Die hat sich auch in der Krise bewährt.“