Madrid..
Der Glaubenskrieg um die Abtreibung ist in Spanien wieder voll entbrannt. Nachdem die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy ankündigte, das aktuelle liberale Abtreibungsgesetz zu kippen und den Schwangerschaftsabbruch wieder weitgehend zu verbieten, laufen Fraueninitiativen Sturm gegen die geplante „Rückkehr ins Mittelalter“. Seit Wochen protestieren die linke Opposition und Bürgerbewegungen in ganz Spanien und kämpfen für das „Recht auf Entscheidungsfreiheit“.
Nun wurde der Protest sogar ins spanische Parlament in Madrid getragen. Drei Aktivistinnen der internationalen Organisation Femen entblößten sich auf der Zuschauertribüne und riefen „Die Abtreibung ist heilig“. Das gleiche Protestmotto hatten sie auf ihre barbusigen Oberkörper gemalt. Sie entblößten sich im Parlament genau in jenem Moment, als Spaniens tiefreligiöser Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón das Wort ergreifen wollte. Der Minister gilt als treibende Kraft der vorgesehenen Abtreibungsverschärfung, mit welcher die konservative Volkspartei dem Drängen der katholischen Bischöfe Spaniens nachgibt. Die spanischen Oberhirten geißeln die Abtreibung regelmäßig als „Verbrechen“ sowie „Attentat gegen das Leben“.
Die Reform wird demnächst ins Parlament kommen, wo die Konservativen mit absoluter Mehrheit regieren und ihr Anti-Abtreibungsgesetz problemlos durchboxen können. Die Tage der Fristenregelung, welche die frühere sozialistische Regierung im Jahr 2010 einführte, sind also wohl gezählt. Die Sozialisten hatten den Abbruch in den ersten 14 Wochen völlig freigegeben. Die Schwangeren mussten innerhalb dieser Frist keine Gründe für den Eingriff angeben. Schon 16-Jährige durften bisher alleine bestimmen, ob sie den heranreifenden Nachwuchs austragen wollten oder nicht. Die nun geplante strenge Indikationsregel „zur Verteidigung des Lebens“ erlaubt den Abbruch von Schwangerschaften nur noch in begründeten Ausnahmefällen wie etwa nach Vergewaltigungen.
120 000 Abbrüche pro Jahr
Feministinnengruppen schätzen, dass nach der Verschärfung der Rechtslage mindestens 100 000 Frauen pro Jahr nicht mehr legal eine Schwangerschaft beenden können. Insgesamt werden jährlich in Spanien etwa 120 000 Abbrüche registriert. „Restriktive Gesetzgebungen verringern nicht die Zahl der Abtreibungen“, warnt eine Sprecherin der Protestplattform „Entscheiden macht uns frei“. Man erreiche nur, dass die Frauen „heimlich oder im Ausland abtreiben müssen“.