Düsseldorf/Essen.. Auf Kohle und Stahl folgt die „Industrie 4.0“. Das bevölkerungsreichste Bundesland setzt Maßstäbe beim digitalen Wandel und ist zumindest auf diesem Feld an der Spitze.

NRW – und insbesondere dem Ruhrgebiet – haftet der Ruf an, in regionalen Vergleichen eher schlecht abzuschneiden. Das „Schuldenland“ wird in der Kritik an NRW oft bemüht, ebenso die hohe Arbeitslosigkeit an der Ruhr oder das komplizierte Schulsystem. Doch es gibt auch eine optimistischere Sicht auf dieses Land. Wenn Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Donnerstag im Landtag ihre Regierungserklärung abgibt, wird sie eine Erfolgsgeschichte vorlegen, die schwer zu widerlegen ist: die vom digitalen Wandel. Denn bei der Informationstechnologie (IT) stellt sich NRW derzeit gut auf. Bei der Digitalisierung muss es kaum einen innerdeutschen Vergleich scheuen.

Mal eben schnell ins Netz

Beispiel: schnelles Internet. Während weite Teile Ostdeutschlands und sogar Teile Bayerns nach wie vor „Internet-Wüsten“ sind, in denen nur jeder dritte Haushalt über einen Anschluss mit wirklich exzellenten Übertragungsgeschwindigkeiten (50 Megabit pro Sekunde und mehr) verfügt, bietet NRW hier eine Versorgungsquote von 70 Prozent. 96,6 Prozent der Haushalte haben immerhin eine Upload-Geschwindigkeit von mindestens sechs Megabit. Größere Lücken bei der Breitband-Versorgung wie in Siegen-Wittgenstein oder im Kreis Soest werden gerade geschlossen.

Kleiner Wermutstropfen: International ist NRW beim schnellen Internet keine Top-Adresse. „Da haben wir Nachholbedarf“, urteilt Thorsten Holz, Experte für Systemsicherheit an der Ruhr-Uni Bochum. „In Skandinavien ist eine Datenübertragungsrate von 100 Megabit nicht selten.“ Spitze sind hier laut EU-Kommission auch Belgien und die Niederlande. Auf der weltweiten Rangliste der Länder mit schnellem Internet liegt Deutschland auf einem unrühmlichen 31. Platz. Ganz vorne: Südkorea, Hongkong, Japan.

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Laptop, Smartphone und Tablet sind längst alltägliche Begleiter der Rheinländer und Westfalen. Rund sechs Millionen von 8,6 Millionen Haushalten in NRW verfügen über mindestens ein mobiles Gerät. In so gut wie jedem Haushalt steht mindestens ein PC. Etwa 40 Prozent der NRW-Bürger nutzen Facebook, etwa jeder Zweite erledigt seine Bankgeschäfte online, ebenfalls jeder Zweite nutzt die elektronische Steuererklärung (Elster). Gerade erst am Anfang steht die Bereitstellung von kostenlosem WLAN in den Kommunen.

Laptop und Schützenhut

Bayern hat den Spruch „Laptop und Lederhose“ erfunden. NRW könnte nicht minder ironisch-selbstbewusst von „Laptop und Schützenhut“ reden. Denn die Voraussetzungen für die weitere Digitalisierung der Wirtschaft sind an Rhein und Ruhr hervorragend. „Die Hochschulen sind ein dickes Pfund in dieser Region, denn sie bringen die nötigen Informatik-Fachkräfte und die Gründer von innovativen Unternehmen, so genannte Startups, hervor. Wir haben außerdem Industrie-Giganten und große Energiekonzerne im Land und dazu Hunderttausende kleine und mittelständische Unternehmen.

Diese Kombination aus Köpfen, Kapital und Kooperation ist die Stärke des digitalen NRW“, sagte Tobias Kollmann dieser Zeitung. Der Essener Professor beschäftigt sich im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums mit der „Digitalen Wirtschaft“. Sein Auftrag: auf Wettbewerbsfähigkeit achten. „Facebook, Google und Co. dominieren die Märkte. Wir müssen zusehen, dass wir auf diesem Markt nicht untergehen, sondern mitspielen“, meint Kollmann. NRW habe eine Chance. Als Vorbild für die Digitalisierung der Wirtschaft gilt das Projekt „it’s owl“ in Ostwestfalen-Lippe. 174 Unternehmen und Hochschulen arbeiten zusammen an der „Industrie 4.0“, also am Zusammenwachsen von echter und virtueller Produktion.

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Von Wilfried Goebels und Tobias Blasius