Karlsruhe/Berlin. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat auf eine Eilklage von zwei SPD-Bundestagsabgeordneten reagiert. Bis zu einer endgültigen Entscheidung muss nun das Plenum in eiligen Fällen über Millliardenhilfen des Euro-Rettungsschirms entscheiden. Das BVG stärkt damit die Rechte des Bundestags.

Ein neues Sondergremium des Bundestages darf vorerst nicht in dringenden Fällen über Maßnahmen zur Euro-Rettung entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe erließ am Freitag eine einstweilige Anordnung gegen das neunköpfige Gremium und gab damit einer Eilklage von zwei Bundestagsabgeordneten statt.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung der Verfassungshüter darf das neu konstituierte Gremium nicht im Namen des gesamten Bundestages in eiligen Fällen schnell über Milliardenhilfen des Euro-Rettungsfonds EFSF entscheiden, sondern muss dies das Plenum tun.

Regierung auch ohne Sondergremium handlungsfähig

Das Gericht begründete seine vorläufige Entscheidung damit, dass das Sondergremium Entscheidungen treffen könnte, die die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Bundestags berühren. Diese "mögliche Rechtsverletzung" wäre durch eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr rückgängig zu machen, da Deutschland nach einer Zustimmung zu den Eilmaßnahmen "völkerrechtlich bindende Verpflichtungen" eingegangen wäre.

Die Bundesregierung bleibt nach Ansicht der Verfassungsrichter auch ohne das Sondergremium handlungsfähig, da die Regierung jederzeit das Plenum entscheiden lassen könne.

Dem erst am Mittwoch vom Bundestag eingesetzten Gremium gehören drei Vertreter der Union sowie je zwei Abgeordnete von SPD und FDP an; die Grünen und die Linke sind mit je einem Parlamentarier vertreten.

Geheimhaltung im Plenum nicht möglich

Unions-Haushälter Norbert Barthle befürchtet, dass geheime Entscheidungen zur Euro-Rettung künftig ausgeschlossen sind. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts müssten alle diese Fragen möglicherweise im Bundestagsplenum entschieden werden, sagte der CDU-Politiker am Freitag vor einer Sondersitzung des Haushaltsausschusses in Berlin. Wie bei 620 Abgeordneten allerdings Geheimhaltung sichergestellt werden solle, "erschließt sich mir nicht", sagte Barthle.

Die SPD gibt Union und FDP die Schuld für den vorläufigen Stopp des Geheimgremiums zur Billigung von Maßnahmen des Euro-Rettungsschirms durch das Bundesverfassungsgericht. "Die Bedenken der SPD gegen das Neuner-Gremium hat die Koalition beiseite gewischt", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Freitag in Berlin. Dafür habe sie jetzt die Quittung der Karlsruher Richter bekommen.

Linke begrüßt das vorläufige Urteil

Die Vorsitzende der Linkspartei, Gesine Lötzsch, hat die Entscheidung des
Bundesverfassungsgericht
begrüßt. Die Einrichtung der neunköpfigen Gruppe habe "nicht viel mit Demokratie
zu tun", sagte Lötzsch, die auch haushaltspolitische Sprecherin der
Linksfraktion ist. Zur Begründung sagte Lötzsch, das Sondergremium hätte über
"unvorstellbare Milliardensummen" entscheiden können. Damit werde das
Budgetrecht des Bundestags verletzt.(afp, dapd)