Paris. Claude Lorius (83) hat sein Leben der Klimaforschung gewidmet. In einem Gastbeitrag blickt der Gletscherkundler auf den UN-Klimagipfel.



Das Eis der Antarktis erzählt die Klimageschichte unseres Planeten. Seine Botschaft ist unmissverständlich: Mit der Industrialisierung hat der Mensch begonnen, die Lebensbedingungen auf der Erde zu verändern. Wir stehen vor einem Problem, dessen Lösung immer dringlicher wird: dem Klimawandel.

Claude Lorius hat in seinem Leben zahlreiche Expeditionen in die Antarktis unternommen
Claude Lorius hat in seinem Leben zahlreiche Expeditionen in die Antarktis unternommen © imago/PanoramiC | imago/PanoramiC


Als ich im Jahr 1953 zu meiner ersten Expedition in die Antarktis aufbrach, wusste man über den Kontinent aus scheinbar ewigem Eis so gut wie nichts. Die Welt schien unerschöpflich, man verschwendete keinen Gedanken daran, dass das, was man immer noch „Fortschritt“ nennt, seinen Preis haben könnte.

Luftblasen verraten Zustand des Eises

In den siebziger Jahren begann man, einen negativen Einfluss unserer Aktivitäten auf das Klimasystem zu vermuten. Doch das musste unwiderlegbar bewiesen werden. Durch die Analyse von Luftbläschen im ewigen Eis lässt sich das Klima inzwischen auf 800.000 Jahre zurückverfolgen. Eisbohrkerne aus mehr als 3200 Meter Tiefe bezeugen die Schwankungen der Temperatur und die Zusammensetzung der Atmosphäre. Die Botschaft des Eises ist eindeutig: Durch unsere CO2-Emissionen sind wir im Begriff, das Klima unseres Planeten mit einer Geschwindigkeit zu verändern, die ohne Beispiel in der Geschichte ist.

Der WWF hat Menschen aus aller Welt präsentiert, die die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt unmittelbar zu spüren bekommen: Philippinische Fischer, deren Netze leer bleiben, Küstenbewohner in Indien, deren Häuser wiederkehrende Unwetter hinweggefegt haben oder Bauern, deren Ernten durch Dürren bedroht werden. Auch ich bin so ein Zeuge des Klimawandels. Als Wissenschaftler war es meine Aufgabe zu beweisen, dass diese Wettereignisse keine Laune der Natur sind.

Kein Ort ist vor dem Klimawandel sicher

Unser Klimasystem ist überaus komplex, aber kein Buch mit sieben Siegeln. Wir wissen längst genug, um zu handeln. Leider ist der Klimawandel schneller ist als die Politik. In Paris versammeln sich im Dezember Delegationen aus aller Welt, um über Auswege aus der Klimafalle zu verhandeln. Es ist der 21. Gipfel dieser Art: Immer neue Verträge, gebrochene Versprechen und mit jedem Tag, der vergeht, rückt das Szenario, das wir vorhergesagt haben, näher. Es gibt keinen Ort auf der Erde, an dem man vor dem Einfluss des Klimawandels sicher wäre. Das bekommen vor allem die armen Länder schmerzhaft zu spüren. Wenn es nicht gelingt, eine notwendige Finanzierung für Klimaschutz, Anpassung und Schadensbewältigung sicherzustellen, wäre das eine moralische Bankrotterklärung.

Wir haben die Pflicht, unsere Politiker immer wieder an ihre Verantwortung zu erinnern. Schon heute ist nicht klar, ob wir das Ziel erreichen können, den Anstieg der Durchschnittstemperaturen auf unterhalb von zwei Grad zu begrenzen. Umso wichtiger ist es, dass sich die Staaten verpflichten, bis spätestens 2050 aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas auszusteigen und ihre Energieversorgung mit erneuerbaren Energieträgern zu bestreiten.

Die Menschen müssen darauf verzichten, sich der Welt ganz zu bemächtigen. Ich hoffe, dass sie imstande sein werden, mit Wissen und Solidarität dem Chaos, das unsere Generation entfesselt hat, Herr zu werden. Aber ich vertraue darauf: Der Mensch ist immer dann auf großartige Weise er selbst, wenn er Widrigkeiten trotzen muss. Wir müssen nur noch handeln.


Zur Person: Claude Lorius verbrachte zwei Jahrzehnte seines Lebens in der Antarktis. Der 83-jährige Glaziologe analysierte als erster die im antarktischen Eis eingeschlossenen Luftbläschen und führte so den Beweis des anthropogenen Klimawandels. Der Dokumentarfilm „Zwischen Himmel und Eis“ von Oscarpreisträger Luc Jaquet. Der Film startet am 26.November in den Kinos.

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