Rom.. Italiens Medienzar und ehemaliger Regierungschef Silvio Berlusconi soll den Fiskus beim Ankauf von Fernsehrechten massiv betrogen haben. Dafür ist er zu einer Haftstrafe von vier Jahren verurteilt worden. Ob er sie antreten muss, ist unklar: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Bisher ist Silvio Berlusconi immer davongekommen: Meist aus Mangel an Beweisen oder infolge von Verjährung – weil seine Anwälte es schafften, die Strafprozesse in die Länge zu ziehen oder weil er sich per Gesetzesänderung mehrfach für immun erklären lassen wollte.
Diesen Freitag aber half dem früheren italienischen Ministerpräsidenten kein Trick mehr: Ein Mailänder Strafgericht hat Silvio Berlusconi wegen Steuerbetrugs zu vier Jahren Haft verurteilt. Ferner darf er drei Jahre lang keine öffentlichen Ämter mehr ausüben. Und es gibt Leute in Italien, die Berlusconis politischen Rückzug vor wenigen Tagen durchaus auch mit dem erwarteten Urteil zusammenbringen: Der 76-jährige, mutmaßt man in Rom, habe nicht nur auf die politische Krise seiner Partei reagieren, sondern auch dem Gerichtsurteil zuvorkommen wollen.
Berlusconi profitiert von einer Amnestie
Wobei: Das Urteil hat mehrere Haken: Erstens profitiert Berlusconi nach seiner Verurteilung von einer Amnestie. Die in erster Instanz verhängte Gefängnisstrafe betrage nur ein Jahr, die restlichen drei Jahre fielen unter eine Amnestieregelung aus dem Jahr 2006, teilte das Gericht am frühen Freitagabend mit.
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Zweitens ist das Urteil ein erstinstanzliches und damit nicht rechtskräftig. Den normalen Gang der italienischen Justiz voraussetzend ist bereits jetzt absehbar, dass der Fall die dritte und endgültige Instanz nie erreichen wird: Die Taten verjähren 2013 und 2014.
Zwanzig Millionen Euro am Fiskus vorbeigeschleust
Nach sechsjährigem Verfahren fanden die Mailänder Richter Berlusconi für schuldig, beim Ankauf von Filmen für seine privaten Fernsehsender – „abseits aller Geschäftslogik“, sagen die Richter – stark überhöhte Preise bezahlt zu haben. Ein Teil dieser angeblich für die Senderechte aufgewendeten Beträge ging nicht an die Verkäufer in den USA, sondern landete über Offshore-Firmen in karibischen Steuerparadiesen – auf Schwarzgeldkonten, über die allein Berlusconi selbst verfügte.
Auf diese Weise soll Berlusconi an die zwanzig Millionen Euro am italienischen Fiskus vorbeigelotst haben. Schuldig gesprochen wurden am Freitag auch ein amerikanischer Geschäftspartner und zwei Manager von Berlusconis Fernseh-Imperium.
Anhänger und Parteigänger des früheren Regierungschefs zogen am Freitag – wie üblich – gegen die „Roten Roben“ von Mailand her. Ein „befremdendes“, „schon vor dem Prozess festgelegtes Urteil“ hätten die „verbissenen“ Richter da gesprochen: „Die Menschenhatz nimmt offenbar kein Ende“, sagte der Senator Maurizio Gasparri, der Berlusconi der „Solidarität“ aller Kollegen aller Abgeordneten versicherte.
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Auch unter distanzierteren Beobachtern hat das Urteil Erstaunen ausgelöst: Zum einen gingen die Richter über den Strafantrag der Staatsanwälte – drei Jahre und acht Monate – hinaus, zum anderen war Berlusconi erst im Sommer in einem Parallelfall letztinstanzlich freigesprochen worden. Die jetzt verurteilten Steuerdelikte betreffen die Jahre bis 1999; jene, für die er freigesprochen wurde, die Jahre danach.
Bunga-Bunga – ein weiterer Prozess ist in der Endphase
In Mailand indes nähert sich ein anderer Prozess seiner Endphase: der „Fall Ruby“. Da ist Berlusconi der Förderung von Prostitution Minderjähriger angeklagt. Es geht um die Marokkanerin Karima el-Mahroug, die für Sexspiele – „Bunga-Bunga“ in Berlusconis Mailänder Villa reich bezahlt worden sein soll. Zum Zeitpunkt der Taten (2010) war sie allerdings erst 17 Jahre alt. Ferner soll Berlusconi versucht haben, das Mädchen mit persönlichen Anrufen aus einem Polizeigewahrsam freizupressen, in den sie wegen eines mutmaßlichen Diebstahls zufällig geraten war. Berlusconi hatte die nächtlichen Telefonate damals mit befürchteten außenpolitischen Problemen begründet: die „Herzensbrecherin Ruby“, wie sich die junge, von zuhause entlaufene Dame nannte, habe sich ihm als Nichte des damaligen ägyptischen Staatschefs Mubarak vorgestellt.
In einer persönlichen Erklärung – bestritt Berlusconi vor einer Woche, mit „Ruby“ sexuelle Kontakte gehabt zu haben. Überhaupt sei es an den Party-Abenden in seiner Villa „absolut zu keinen sexuellen Szenen“ gekommen, sagte er. Das Geld habe er „Ruby“ nur zugesteckt, weil sie ihm von wirtschaftlichen Schwierigkeiten erzählt habe; ihr Vater habe sie aus dem Haus geworfen, da habe er – Berlusconi – ihr aus Großherzigkeit helfen wollen, einen Berufstraum zu erfüllen und einen Schönheitssalon zu eröffnen. Den Nachfragen der Staatsanwaltschaft indes stellte sich Berlusconi nicht – aus Ärger darüber, dass er von diesen „bereits seit zwanzig Jahren verfolgt“ werde.