Essen. Die Steuerehrlichkeit der Bundesliga-Profis wird völlig unzureichend überwacht. Die Einkommens-Millionäre blieben von den Finanzämtern „weitgehend unbehelligt“, stellt Niedersachsens Rechnungshof fest. Sie würden „lückenhaft“ besteuert. Für den Staat bestehe ein Millionen-Risiko.
Der Rechnungshof hat 60 Profi-Kicker geprüft. In jedem dritten Fall haben die Finanzämter die Spieler falsch, eben nicht als Großverdiener, eingestuft und auf weitere Prüfungen verzichtet. Der Chef der Steuergewerkschaft in NRW, Manfred Lehmann, sagte, eine „Konzentration“ der Prüfungen der Spieler-Einkommen auf jeweils ein Finanzamt sei ein Ausweg, Einnahmen stärker zu kontrollieren. Wegen der Handgelder, der Werbeeinnahmen und der ständig wechselnden Wohnorte sei es aber schwer, die Steuerehrlichkeit von Fußball-Profis zu überwachen.
Der Kameruner Raymond Kalla hat zwei Einkommen bezogen. Der frühere Profi-Kicker des VfL Bochum erhielt in der Zeit seines Engagements im Ruhrgebiet von 2002 bis 2004 30.000 Euro pro Monat aus der Vereinskasse. Offiziell und zur Besteuerung dem Finanzamt mitzuteilen.
Dann war da aber noch ein Nebengehalt. Ein Spielervermittler in Monaco zahlte es aus. Es summierte sich in den drei Jahren auf 640.000 Euro. Der Fiskus erfuhr nichts davon. 311.000 Euro gingen der Staatskasse so durch die Lappen. 2008 ist Kalla wegen Steuerhinterziehung zu einer Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Raymond Kalla ist kein Einzelfall
Ein Einzelfall? Kaum. Die Kallas gibt es überall und immer noch. Das glaubt der Rechnungshof in Niedersachsen. Er hat die Steuerzahlung von 60 Bundesliga-Spielern unter die Lupe genommen. Viele von ihnen haben Gagen von jährlich mehr als 500 000 Euro, einige bis zu fünf Millionen. „Lückenhaft“ sei sie.
Die Lage ist ernüchternd: „Fußballprofis gehören zu den Bestverdienern im Land“, so die Prüfer, „nicht selten erzielen sie Einkünfte von mehreren Millionen Euro im Jahr. Dennoch blieben sie von den Finanzämtern weitgehend unbehelligt.“ Denn in 19 der 60 überprüften Fälle haben die niedersächsischen Steuerbehörden gar nicht richtig hingeguckt. Es „erfolgte keine Einstufung als bE-Fall, obwohl die Voraussetzungen vorlagen“. bE-Fall? So nennt ein Finanzbeamter einen Steuerzahler mit „bedeutenden Einkünften“, der mehr als 500.000 Euro im Jahr verdient und der also wie ein Betrieb geprüft werden sollte.
Maschinell auf Plausibilität geprüft
Genau das ist bei diesen 19 – immerhin einem Drittel der Untersuchten – nicht passiert. Die Steuererklärungen wurden wie bei normalen Angestellten maschinell auf Plausibilität geprüft und durchgewunken. Der Rechnungshof sieht die Fehler im System: „Im Fußballsport finden häufig Vereinswechsel statt“ – und damit auch der des zuständigen Finanzamtes. So gehen Daten und Vergleichsmöglichkeiten verloren. Und am Ende einer Kicker-Laufbahn steht, gerade bei ausländischen Spielern, oft der Umzug über die Bundesgrenzen weg zurück in die Heimat.
Gehen deshalb der Steuer Millionen verloren? Fällt Steuerbetrug auf dem Platz nicht auf?
Manfred Lehmann ist Chef der Steuergewerkschaft in NRW , selbst Finanzbeamter und weiß: „Einen Profi-Fußballer zu prüfen ist so ungefähr das Schwierigste, was uns passieren kann“. Was zum Beispiel sei mit dem Handgeld? Was mit den Werbeeinnahmen? Sei ein Spieler Angestellter oder Selbstständiger? Wie ist es mit dem Wohnort? Lange her – aber eine Kölner Elf hat mal kollektiv den Wohnsitz im steuerlich preiswerteren Belgien gesucht, erinnert er sich.
Auch Konten in der Schweiz
Der Steuerexperte Lehmann hat das Gefühl, wie auch wohl der Landesrechnungshof in Hannover, dass in diesem Sport sehr viel Schwarzgeld unterwegs ist. Erwiesen hat sich das auch auf der Steuer-CD, die das Land NRW 2010 mit Daten der Schweizer Großbank Credit Suisse angekauft hat. Der später festgenommene Datenhehler hat in Vernehmungen der Schweizer Ermittlern eingeräumt, vom Zwischenhändler des Deals „nach den Kontoeintrittsdaten der Typen der Paninibilder“ gefragt worden zu sein.
Die Typen der Paninibilder? Es ist der Hinweis, dass hochklassige Profispieler Schwarzgeld in der Schweiz angelegt hatten. Oder immer noch haben.
Gibt es Wege, die Steuerehrlichkeit auch im Profi-Fußball einziehen zu lassen mit den bestmöglichen Kontrollen? Niedersachsens Rechnungshof nennt einen. Der ständigen Veränderung der örtlichen Zuständigkeit von Finanzämtern, bedingt durch die Vereinswechsel, müsse ein Ende gemacht werden. Und ein Finanzamt müsse die Zuständigkeit für einen Verein haben. Nicht mehrere. „Konzentration“, sagt Manfred Lehmann, „ist vielleicht tatsächlich ein Weg, Besserung zu bringen.“
Nordrhein-Westfalens Landesrechnungshof hat übrigens anders als die Kollegen in Hannover die Besteuerung der Profi-Kicker an Rhein und Ruhr noch nicht geprüft. Das steht auch – noch? – nicht auf der Agenda.