Schmallenberg.. Die CDU beschimpft ihn als „Klima-Taliban“. Doch NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) setzt auf den Ausgleich zwischen Ökologie und Industrie. Er gehört zu den wenigen wirklich starken Figuren im Kabinett von Hannelore Kraft.
Der Mann hat keinen leichten Stand. Mit gebrochenem Zeh kämpft Johannes Remmel an der „Schiefen Wand“ im Sauerland für den Erhalt des Naturerbes. Gerade erst hat der grüne Umweltminister Gips und Krücken abgelegt. Jetzt stapft er triefnass auf Sandale und Socken durch den Schmallenberger Regenwald. Tim Bendzkos Hit „Muss nur noch kurz die Welt retten“, wirkt wie Remmels Lebensmotto.
Dabei scheut der Superminister, der neben der Umweltpolitik auch noch für Öko-Energie zuständig ist im Kabinett, keine Konflikte. In gerade zwei Jahren Amtszeit hat Remmel von der Kanal-Dichtheitsprüfung über Jagdrecht und Massentierzucht bis hin zur Ablehnung des Kohlekraftwerks Datteln weder Privatleute noch Konzerne wie RWE und Bayer von Reformplänen verschont. Der Minister macht Druck in Sachen Öko. Der öffentliche Eindruck, in der rot-grünen Koalition wackle der Schwanz mit dem Hund, traf die Genossen in Düsseldorf schwer.
Mit Garrelt Duin hat Remmel einen Aufpasser bekommen
Mit dem industriefreundlichen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) stellte die Ministerpräsidentin dem Grünen deshalb ein politisches Schwergewicht als Aufpasser an die Seite – damit Ökologie und Ökonomie in der Waage bleiben. Hannelore Kraft will verhindern, dass Remmel den Wirtschaftskurs über Verordnungen und Programme bestimmt. Ein fundamentalistischer „Klimataliban“, wie die CDU stichelt, war der Siegener aber nie.
Der 50-Jährige hat in 17 Landtagsjahren gelernt, dass die ökologische Erneuerung nur mit und nicht gegen die Industrie klappen kann. „Wir brauchen neue Technik, neue Verfahren und Produkte, um Erfolg zu haben“, erläutert er beim Waldspaziergang. „Die Zeit ist vorbei, Wirtschaft und Umwelt gegeneinander auszuspielen.“ Da ticken Duin und Remmel gleich. Konflikte gibt es bei Kraftwerken: Remmel setzt auf Gas, Duin auf Kohle.
Fleißig, sachkundig, vielleicht etwas zu pädagogisch und humorlos – der frühere Lehrer Remmel gilt als Macher, der die Fäden gern zusammenhält. Heute ist er eine der tragenden Säulen im rot-grünen Kabinett. Dabei schießt der Grüne bei der ideologischen „Volksbeglückung“ schon mal übers Ziel hinaus. Als der Verbraucherminister Bürgern nahe legte, auch aus Gründen des Klimaschutzes nur zweimal pro Woche Fleisch zu essen, schwankte die Reaktion zwischen Empörung und Hohn.
Remmel setzt auf erneuerbare Energien
Remmel setzt entschlossen auf den Vorrang für erneuerbare Energie. Sein Vorstoß, Windräder auch in Wäldern zuzulassen, traf aber selbst in Umweltverbänden nicht überall auf Zustimmung. Und Wirtschaftsminister Duin merkte unmissverständlich an, dass die Versorgungssicherheit nur mit der Kohle möglich bleibt.
In der „Schiefen Wand“ fühlt Remmel sich sichtlich wohl. Hier hält sich der Mensch seit 40 Jahren mit Eingriffen zurück und überlässt den Wald sich selbst. Während einige Flächen in der Umgebung dem Orkan Kyrill vor Jahren zum Opfer fielen, widerstand der „Urwald“ der Sturmgewalt.
Remmel, für seine täglichen PR-Meldungen bekannt, liebt solche Bilder. Klappern für das Nachhaltige gehört zum grünen Handwerk. Nicht bewirtschaftete Waldflächen aber lassen sich auch nicht ernten. Da ist er wieder: der Konflikt zwischen Ökologie und Ökonomie.
„Klimaschutz hat Priorität“
Seit 29 Jahren ist Remmel Mitglied der Grünen, zehn Jahre saß er bis 2010 als Geschäftsführer der Landtagsfraktion in der zweiten Führungsreihe. Die Opposition wirft ihm nun vor, sein Ministerium mit neuem Personal in eine grüne Kaderschmiede umzuwandeln. Der Minister streitet das vehement ab.
Die Ministerpräsidentin hat die Energiepolitik vorsorglich zur Chefsache erklärt: Duin hält die Zuständigkeit für konventionelle Energie, Remmel ist verantwortlich für Erneuerbares, Kraft fürs große Ganze. Der CDU-Abgeordnete Lutz Lienenkämper sieht in der Aufteilung einen „Geburtsfehler“, der die Energiewende belaste.
Remmel hat kürzlich klar markiert, dass der Klimaschutz in NRW „auch in den nächsten fünf Jahren oberste Priorität“ hat. Der verbale Konter von Wirtschaftsminister Duin kam schnell: „Windkraft braucht Stahl.“