Berlin.. Marina Weisband, ehemalige Frontfrau der Piratenpartei, fordert neue Umgangsformen in der Politik. Auf 170 Seiten hat sie aufgeschrieben, wie sie sich das vorstellt. Das Buch und die wiedererstarkte Popularität werden ihr nicht nur Jubelstürme einbringen.

Ende des Jahres platzte Marina Weisband der Kragen. Ein Artikel war erschienen, der den Eindruck erweckte, die 25-Jährige halte sich für die Retterin der Piratenpartei. Sie habe „keinen Bock“ mehr, tobte die einstige Ober-Piratin in ihrem Blog. Danach herrschte Funkstille.

Nun ist sie wieder da. Flankiert von einer Talkshow-Tingeltour stellt die Ex-Geschäftsführerin der Piraten am Donnerstag ihr erstes Buch vor: „Wir nennen es Politik“ ist eine gut 170-seitige Gebrauchsanweisung piratischer Politik, gepaart mit Benimmregeln für Bürger und Volksvertreter. Garniert wird es mit Rückblicken auf die junge Marina als kränkelndes Tschernobyl-Kind, das aus der Ukraine nach Deutschland übersiedelt.

Partei im Umfragetief

Die vom Umfragetief gebeutelten Piraten dürften das Schaulaufen ihrer vermeintlichen Hoffnungsträgerin mit gemischten Gefühlen verfolgen. Denn sie befeuert die Debatte um die Rolle, die Weisband im Wahlkampf spielen könnte. Während Parteichef Bernd Schlömer mit ihr als ein Zugpferd liebäugelt, bekommen andere Freibeuter Stresspusteln, wenn sie den Namen Weisband nur hören.

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Im Reich der Schwarmintelli-genz, wo Themen statt Köpfe zählen sollen, stoßen große Popularität und Personenkult auf allergische Reaktionen. Jedoch dürfte kein Pirat so werbewirksam sein wie Weisband, die vor zwei Jahren ins Amt stolperte und sich zum Piraten-Star mauserte.

Intelligent, redebegabt, apart – Weisband konnte die rudimentäre Programmatik der Online-Truppe charmanter verkaufen als jeder andere. Ihr selbst hat der Hype, wenn man ihr Glauben schenken mag, auch gestunken. „Meine Medienpräsenz besteht zu 80 Prozent aus Fotos, Kommentaren über meine Frisur, meine Kleidung, meine Hobbys, meine Art“, mault Weisband. Freilich hat sie das nicht gehindert, mächtig in Interviews für ihr Buch zu trommeln.

Woran das System krankt

Darin analysiert die Piratin, woran das politische System angeblich krankt. Als Rosskur verschreibt sie das kleine Piraten-Einmaleins, bei dem es darum geht, den Bürger stärker ins politische Geschehen einzubauen: durch Liquid Democracy. Bei diesem Mix aus direkter und repräsentativer Demokratie etwa könnte eine Person per Internet über ein Projekt abstimmen oder einem Abgeordneten für ein Vorhaben votieren. Klingt schön, ist aber in der Praxis schwer. Das beginnt schon mit der Frage, ob Abstimmungen namentlich oder anonym erfolgen. Außerdem klappt die pure Basisdemokratie noch nicht einmal bei den Piraten selbst.

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Neben dem Piratenmantra nach mehr Transparenz wirbt Weisband für neue Umgangsformen. Politiker müssten Fehler machen können, ohne dafür den „Hass der Nation“ auf sich zu ziehen. „Die Atmosphäre kann nur die Bevölkerung schaffen“, schreibt Weisband, deren politische Bilanz dünn ausfällt. „Ja“ zur Frauenquote und dem bedingungslosen Grundeinkommen – das war’s im Groben.

Vor zwei Jahren war Weisband noch anderer Meinung. Ihrer Popularität wird es keinen Abbruch tun. Schon gar nicht vor dem Hintergrund, dass ihr Amtsnachfolger Johannes Ponader zum Prügelknaben mit Freak-Faktor mutierte. Auch wegen ihm scharmützelten sich die Piraten so hingebungsvoll. Damit soll Schluss sein. „Statt uns weiter um Personalfragen zu drehen, sollten wir uns wieder darauf konzentrieren, wofür wir den ganzen Scheißdreck machen“, klagt Weisband. Die Anleitung dafür ist nun ja da.