Düsseldorf. Die Städte an Rhein und Ruhr haben ihr Sparpotenzial nicht ausgeschöpft, meint Jürgen Büssow. Der Düsseldorfer Regierungspräsident schlägt Theaterschließungen vor - und könnte sich auch vorstellen, ganze Städte zusammen zu legen. "Für die Städte wird es ein harter Weg", gibt er zu.
In Ihrem Regierungsbezirk haben nur Düsseldorf, Krefeld und derzeit noch Mülheim einen ausgeglichenen Haushalt. Sieben der zehn Großstädte, nämlich Oberhausen, Duisburg, Essen, Mönchengladbach, Wuppertal, Solingen und Remscheid sind pleite oder auf dem Weg dorthin. Was hat man dort falsch gemacht?
Jürgen Büssow: Natürlich muss man jede Stadt differenziert betrachten. Wir sind auch nicht die kalte Behörde, als die man uns darstellt. Die Probleme der Städte gehen uns nicht an den Ohren vorbei. Wir berichten ständig an die Ministerien, sagen, wo gespart wird. Es bleibt aber die Erkenntnis, dass manche in schlechten Verhältnissen über ihre Verhältnisse gelebt haben.
Nennen Sie bitte Beispiele.
Büssow: Nehmen wir mal die Theater. In Oberhausen wurde 2007 jede Theaterkarte mit 146 Euro bezuschusst, in Essen mit 93 Euro, was besonders günstig ist. Die Bürger, die nur 15 oder 20 Euro zahlen wissen das nicht, haben deshalb keinerlei Kostenbewusstsein. Man sollte sie mit Tafeln im Foyer darauf hinweisen. Warum gibt es keine nach Einkommen gestaffelten Eintrittspreise? Und warum können die Oberhausener nicht ins Grillo-Theater nach Essen fahren? Oder ins Theater an der Ruhr nach Mülheim? Schon durch Kooperationen ließe sich viel sparen.
Oberhausen erhält von Fachwelt und Besuchern beste Bewertungen.
Büssow: Das ist keine Kritik am neuen Intendanten Peter Carp. Er leistet hervorragende Arbeit. Wenn die Kosten aber mit Kindertagesstätten und Schulen konkurrieren, ist die Politik gefragt. Hier muss ich den Mut der Wuppertaler betonen, ihr Schauspielhaus zu schließen. Die von Krefeld und Mönchengladbach getragenen Niederrheinischen Sinfoniker, die den gesamten Niederrhein bespielen, sind das günstigste Ensemble dieser Art.
Mit der Schließung eines Theaters saniert eine Stadt nicht ihren Etat.
Büssow: Richtig. Es gibt aber noch viele andere Felder. Wir sehen in den inneren Verwaltungen Personalüberhang. Jede Stadt sollte feststellen, wo sie überdimensioniert ist, zum Beispiel im Bäderbereich. Schwimmen ist auch mit weniger Einrichtungen möglich. Pflichtaufgaben wie die Allgemeinen Sozialen Dienste, zum Beispiel die Pflege, ließen sich auch in ambulanten Strukturen organisieren. Eine Ruhrgebietskommune macht das bereits vor.
Da drängt sich die Frage nach der Bürgernähe auf.
Büssow: Es stellt sich aber auch die Frage, ob wir uns bei den relativ seltenen Behördenkontakten, die jeder Bürger hat, Bezirksverwaltungen noch erlauben können. Bürgerbüros als Anlaufstellen reichen, vieles kann zentral erledigt werden. Auch die interkommunale Zusammenarbeit ist längst nicht optimiert. Sie ist ohne Leistungseinbußen für die Bürger möglich. Die Städte müssen hier mehr Mut aufbringen.
Das müssen Sie erklären.
Büssow: Zum Beispiel bei den Standesämtern, bei denen die meiste Arbeit hinter den Kulissen geleistet wird. Ein Standesamt für mehrere Städte würde reichen, wobei die Trauungen natürlich vor Ort stattfinden würden. Auch gemeinsame Rechtsämter, Lebensmittel- und Veterinärämter, Volkshochschulen oder Marketinggesellschaften wären möglich. Kein Problem im Internet-Zeitalter.
Da können Sie gleich ganze Städte zusammenlegen.
Büssow: Warum nicht, obwohl wir wissen, dass der Widerstand der heutigen Amts- und Mandatsinhaber riesengroß wäre. Wir wollen auch keinem Bürger seine Identität nehmen. Wenn aber zum Beispiel Wuppertal, Solingen und Remscheid fusionieren würden, wäre dies die drittgrößte Stadt in NRW mit einer kostengünstigen Verwaltung. Fest steht: Man muss sich stärker verflechten. Kosten sparen ließe sich auch durch ein Personaleinsatzmanagement, eine Art Task Force, die dort eingreift, wo Not am Mann ist.
Sollten Städte auch gemeinsam investieren?
Büssow: Wie ich höre, wird über ein gemeinsames Stadion an der Stadtgrenze Oberhausen/Essen nachgedacht, in dem RWO und RWE spielen könnten. Es läge auf Oberhausener Gebiet. Ob das realistisch ist, wird sich zeigen.
Sie erwecken den Eindruck, das Problem läge allein auf der Ausgabenseite. Tatsächlich brechen den Kommunen doch die Steuereinnahmen weg. Gleichzeitig steigen die Sozialkosten – auch dadurch, dass Bund und Land ihnen ständig neue Aufgabe zuweisen, ohne für die Finanzierung zu sorgen.
Büssow: Bund und Land haben ähnliche Probleme wie die Kommunen, nur größere gesetzliche Spielräume. Natürlich sehen wir, dass das Konnexitätsprinzip verletzt wurde und mancherorts die Einnahmen nicht einmal für die Erfüllung der Pflichtaufgaben reichen. Es darf auch nicht sein, dass arme West-Städte weiterhin den Solidarbeitrag für den Osten zahlen müssen. Trotzdem führt kein Weg an einem harten Sparkurs vorbei.
Es ist doch ein Witz, dass armen Kommunen verweigert wird, den Eigenanteil für Projekte – zum Beispiel zum Energiesparen – durch Kredite zu finanzieren und sie dadurch auf hohen Heizkosten sitzen bleiben.
Büssow: Wenn uns die Nothaushalts-Kommunen vorrechnen, dass es dadurch billiger wird, werden wir die Kreditaufnahme genehmigen.
Das größte Problem sind doch die Altschulden. Die Kommunen werden dadurch förmlich stranguliert. So entfallen von knapp 140 Mio Euro Defizit im Oberhausener Haushalt fast 90 Millionen auf den Kapitaldienst.
Büssow: Inzwischen gibt es ein Bewusstsein dafür. Die Landesregierung und besonders Finanzminister Helmut Linssen denken darüber nach. Aber ich versichere Ihnen: Für die Städte wird es ein harter Weg.