Düsseldorf. 1825-mal wurde in einem Jahr das “Hilfetelefon Gewalt gegen Männer“ kontaktiert. NRW und Bayern sind zufrieden mit ihrem Projekt.

NRW und Bayern sind zufrieden mit der Resonanz auf ihr vor einem Jahr freigeschaltetes "Hilfetelefon Gewalt gegen Männer". 1825 Kontakte zählten bisher die Betreiber des Angebots: die „man-o-mann Männerberatung“ in Bielefeld und die Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Augsburg. Im Schnitt etwa ein Gespräch in der Stunde führen die Bielefelder Helfer derzeit. Es melden sich dort und in Bayern auch viele männliche Gewaltopfer aus anderen Bundesländern. Ihre Schilderungen sind erschütternd.

Schwerste Misshandlungen, psychische Erniedrigung

Ein junger Familienvater wird von seiner Frau erniedrigt („Schlappschwanz“) und krankenhausreif geschlagen. Ein 19-jähriger Türkeistämmiger soll zwangsverheiratet werden und sucht Zuflucht in einer Männerschutzwohnung. Ein Mittvierziger wird von seinem Mann „wie ein Gefangener gehalten“. Ein 20-Jähriger vertraut erstmals einem Menschen an, dass er in seiner Kindheit wiederholt sexuell missbraucht wurde. Solche und ähnliche Geschichten hören Birgit Gaile (AWO) und Björn Süfke („man-o-mann“) häufig. Die meisten Anrufer sind (70 Prozent) sind akut von Gewalt betroffen. Einige leiden ihr Leben lang unter Misshandlungen aus Kindheit und Jugend.

„Ein 81-Jähriger berichtete davon, dass er in deiner Kindheit durch beide Eltern sadistisch gequält wurde. Bis zu seinem Anruf hat er nie zuvor darüber gesprochen, habe auch keine Beziehung zu einem anderen Menschen aufbauen können“, sagte Björn Süfke am Montag bei der Jahresbilanz zum Hilfetelefon. Erst nach dem befreienden Gespräch, sei es ihm gelungen, in einem Pflegeheim eine Partnerin kennen zu lernen.

Nur die bekannten Fälle: 18 männliche Gewaltopfer in Partnerschaften täglich in NRW

Der Blick in die Polizeistatistik zeigt: Gewalt gegen Frauen in einer Partnerschaft ist viel häufiger als Gewalt gegen Männer, und für Frauen sind solche Situationen häufiger lebensbedrohlich. Das Landeskriminalamt zählte im Jahr 2019 rund 37.400 Fälle von Partnerschaftsgewalt, darunter waren rund 6400 männliche Opfer.  Egal ob Frau oder Mann – „Gewalt ist Gewalt“, sagen NRW-Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) und die bayerische Familienministerin Carolina Trautner (CSU). Nicht nur Schläge und Tritte, auch psychische Gewalt könne einen Menschen zerstören.

Gut drei Viertel der Anrufer waren bis zu 50 Jahre alt. 85 Prozent der Betroffenen litten nach Auskunft der Beratungsstellen unter psychischer Gewalt, 53 Prozent unter körperlichen oder sexualisierten Übergriffen. 70 Prozent der Männer waren laut Trautner in einer akuten Gewaltsituation, 19 Prozent hatten als Kinder oder Jugendliche Gewalt erfahren. Übergriffig wurden laut Bilanz vor allem aktuelle oder ehemalige Partnerinnen und Partner.

Gewalt gegen Männer dürfe kein Tabu sein

Die beiden Ministerinnen betonten, es sei wichtig, dieses Thema aus der Tabuzone zu holen und offen über Gewalt gegen Männer zu sprechen. Scharrenbach: „Das neue Unterstützungsangebot für von
Gewalt betroffene Männer wurde sehr schnell angenommen – entgegen
den Befürchtungen und Vorurteilen, dass Männer keine Hilfe suchen
würden.“ 

Das Land NRW hatte vor Kurzem einen "Pakt gegen Gewalt an Frauen und Männern" angekündigt.

Baden-Württemberg klinkt sich ein in das Projekt

35 Prozent der Anrufe kamen aus NRW, 18 Prozent aus Bayern, die anderen aus dem Rest Deutschlands. Baden-Württemberg schließt sich ab sofort dem Projekt Hilfetelefon an. Die Ministerinnen Scharrenbach und Trautner kündigten an, die Beratungszeiten in NRW und in Bayern auszuweiten. Im Sommer werde außerdem eine Online-Beratung mit Chatfunktion eingerichtet. Die Zahl der Schutzwohnungen soll in NRW erhöht werden. Bisher gibt es acht dieser Wohnungen im Rheinland, in Westfalen-Lippe sollen solche Schutzräume noch entstehen. In einer social-media-Kampagne wollen die Länder auf das Hilfetelefon aufmerksam machen. Zu erreichen ist es unter der Telefon 0800 123 99 00 sowie unter www.maennerhilfetelefon.de