Die Luftlinien untersuchen die Psyche ihrer Piloten nur bei angehenden Flugzeugführern eingehend. Die Luftfahrtorganisation der UNO plädiert nun für tiefergehende psychologische Untersuchungen. Die Bundeswehr prüft ihre Piloten dagegen alle drei Jahre.

Verkehrspiloten müssen topfit sein, schon eine Brille ist ein Ausschlusskriterium, und ihre körperliche Flugtauglichkeit wird regelmäßig überprüft. Nachdem der junge Germanwings-Pilot Andreas Lubitz seine Maschine mit Absicht zum Absturz gebracht hat, gerät die Kontrollroutine der Psyche der Flugzeugführer in die Kritik. Eingehende psychiatrische Untersuchungen gibt es bei den Fluglinien in erster Linie nur vor dem Beginn der kostspieligen Pilotenausbildung. Experten plädieren jetzt für regelmäßigere Begutachtungen des geistigen Gesundheitszustands der Menschen am Steuerknüppel eines Flugzeugs.

Die Internationale Zivilluftfahrzeugorganisation (ICAO) der Vereinten Nationen fordert laut „Spiegel online“ jetzt medizinische Spezialtests für Piloten. Bei begründetem Anlass sollten tiefergehende „neuropsychologische Checks“ erwogen werden.

Bundeswehr schickt Piloten alle drei Jahre zur großen Untersuchung

Vor dem Beginn der über Hunderttausend Euro teuren Pilotenausbildung werden die Anwärter sehr umfangreichen psychologischen Tests unterzogen. Mit einer psychologischen Vorauswahl liege die Durchfallquote bei 3, ohne bei 40 Prozent. Das berichtete der Luftfahrpsychologe Viktor Oubaid vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Einmal im Berufsleben, ist für die Piloten keine regelmäßige psychiatrische Überprüfung vorgeschrieben. Die Bundeswehr schickt die Piloten ihrer über 400 fliegenden Kampfmaschinen jährlich zum medizinischen Check. In die alle drei Jahre durchzuführende große Untersuchung sind, so die Bundeswehr auf Anfrage dieser Zeitung, viele psychologische Aspekte eingebaut.

Nur eine Momentaufnahme

Die Lenker von anderen, potenziell für viele Menschen gefährlichen Fahrzeugen werden überhaupt nicht psychologisch durchleuchtet, beispielsweise Fahrer von Gefahrguttransporten, Bussen oder Lokführer.

Jörg Handwerg, Sprecher der Vereinigung Cockpit, hält die umfassenden psychologische Begutachtung der Pilotenbewerber bei der Lufthansa für kaum verbesserbar. „Man bekommt ja auch nur eine Momentaufnahme eines Menschen.“ Psychologische Begutachtung im späteren Berufsleben habe man bisher nicht als Problem der Luftfahrt erlebt. Es sei fraglich, in welchem Rahmen hier psychologische Gespräche helfen sollen.

Grundsätzlich liegt die Beurteilung der flugmedizinischen Tauglichkeit von Piloten nicht bei der jeweiligen Fluggesellschaft, sondern laut Verordnung der Europäischen Union seit April 2013 beim Luftfahrtbundesamt. Einmal im Jahr muss der Pilot zum Gesundheitscheck, und dabei sollen laut EU auch psychiatrische Erkrankungen ermittelt werden. In der Praxis setzt man auch darauf, dass Arbeitskollegen im Cockpit Verhaltensänderungen auffallen und sie diese melden.

Stärkere Rolle für Betriebsärzte gefordert

Ärzte dürfen von sich aus eine Airline aber nicht auf eine ihnen bekannte psychische Erkrankung eines Piloten hinweisen, dagegen steht die ärztliche Schweigepflicht. Arbeitnehmer dürfen auch in der Regel trotz Krankschreibung zur Arbeit kommen. „Das ist das persönliche Risiko des Arbeitnehmers,“ sagt Prof. Jobst-Hubertus Bauer, Fachanwalt für Arbeitsrecht aus Stuttgart. Weiß der Arbeitgeber, dass der Mitarbeiter arbeitsunfähig ist, hat er in der Regel keine Verpflichtung, ihn nach Hause zu schicken. Eine Ausnahme gilt allerdings, wenn der Mitarbeiter zum Beispiel gefährliche oder besonders sensible Arbeiten verrichtet. Das gilt auch für Piloten. Sind sie krankgeschrieben, dürfen sie nicht arbeiten.

Die Deutsche Gesellschaft für Arbeitsmedizin hat wenige Tage vor dem Absturz auf ihrer Jahrestagung angesichts zunehmender psychischer Erkrankungen eine stärkere Rolle der Betriebsärzte gefordert. Arbeitgeber seien gesetzlich verpflichtet, gesundheitliche Gefährdungen am Arbeitsplatz zu prüfen und Vorsorge zu treffen.

Seit dem vergangenen Jahr müssten Arbeitgeber ausdrücklich psychische Gefährdungen einbeziehen.

Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns nach eingehender, kontroverser Diskussion dazu entschlossen, das Bild des Co-Piloten zu zeigen und seinen vollen Namen zu nennen. Die zentrale Frage, die wir uns gemeinsam mit unseren Lesern stellen, war und ist: Wer ist zu einer solchen Tat fähig? Wir hatten und haben abzuwägen zwischen dem Recht der Familie des mutmaßlichen Täters, geschützt zu werden, und dem Recht der Öffentlichkeit, alle relevanten Informationen zu erhalten. In diesem Fall haben wir uns für eine umfassende Veröffentlichung in Wort und Bild entschieden. Angesichts des Ausmaßes der Tragödie sehen wir Andreas Lubitz als eine Person der Zeitgeschichte.