Mal wieder bemüht sich Frankreich nach Kräften, ein Bild abzugeben, das alle Klischees von den aufmüpfigen und unverbesserlichen Galliern bedient. Das Land versinkt in Streiks, Blockaden und Randale, weil die Regierung die umstrittene Reform des Arbeitsmarkts durchpauken will. Angeblich kommen die Gesetzespläne Schröders Agenda 2010 nahe. Bloß ist die französische Arbeitsrechtsreform keineswegs ein großer Wurf, sondern ein nach zahlreichen Kompromissen längst zum Reförmchen verwässerter Text.
Auch der Eindruck, dass unsere Nachbarn in den vergangenen Wochen geschlossen auf die Barrikaden gegangen sind, ist falsch. Zwar würden 85 Prozent der Franzosen ihren ungeliebten Staatspräsidenten François Hollande lieber heute als morgen zum Teufel jagen. Ebenso lehnen drei Viertel die ohne vorherige Konsultationen zusammengeschusterte Arbeitsrechtsreform ab. Aber die knallharte Auseinandersetzung, die derzeit mit Bildern von brennenden Barrikaden und Straßenschlachten die öffentliche Wahrnehmung dominiert, wird in Wirklichkeit von einer kleinen Minderheit befeuert. Es ist die kommunistische Gewerkschaft CGT, die die Regierung zu einer bedingungslosen Kapitulation zwingen will.
Es stimmt zwar, dass die CGT immer noch die größte Gewerkschaft Frankreichs ist – wenn auch nur knapp. Aber sie leidet seit Jahren an einem dramatischen Mitgliederschwund und unter der Konkurrenz reformfreundlicher Arbeitnehmerorganisationen. Ein Sieg bei dem Kampf um die Annullierung der Arbeitsrechtsreform soll diesen Trend umkehren, so der Plan der Gewerkschafter.
Dabei ist es der CGT herzlich egal, dass dieser Kampf auf dem Rücken der Bürger ausgetragen wird. Die Franzosen leiden nun in weiten Teilen des Landes unter Benzinengpässen, Straßenblockaden und Lähmungen der öffentlichen Verkehrsmittel. Ebenso egal ist den unverbesserlichen Klassenkämpfern offenbar der Schaden, den sie der französischen Wirtschaft und dem Ruf ihres ohnehin angeschlagenen Landes zufügen.