Düsseldorf. Die Bilder der Kriegsgräuel fachen die Energiedebatte in NRW an - mit überraschenden neuen Positionen und vielen offenen Fragen.
Der russische Überfall auf die Ukraine und die Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung haben der NRW-Landespolitik eine neue Energiedebatte aufgezwungen. CDU-Landtagsfraktionschef Bodo Löttgen sprach sich am Mittwoch im Landtag überraschend für einen sofortigen Stopp von russischen Energielieferungen aus: „Vielleicht ist es doch notwendig, zumindest über die Kohle hinaus, über das Erdöl hinaus wirklich mal zu überlegen, wenn es 2,6 Prozentpunkte Wirtschaftswachstum kostet, ob wir diese Gaslieferungen nicht sofort einstellen können, wenn es denn hilft, diesen Krieg schnell zu beenden.“
Bislang vertrat die NRW-CDU von Ministerpräsident Hendrik Wüst die Position, dass kurzfristig die Versorgungsicherheit insbesondere der energieintensiven Industrie an Rhein und Ruhr sowie pragmatische Lösungen für die Energieversorgung Priorität haben müssten, um keinen wirtschaftlichen Einbruch mit Massenarbeitslosigkeit zu riskieren.
Lösung für Importstopp von russischer Kohle noch nicht in Sicht
SPD-Oppositionsführer Thomas Kutschaty warf Wüst vor, bislang nicht einmal Lösungen für die Folgen des bereits beschlossenen EU-weiten Einfuhrstopps von russischer Kohle präsentiert zu haben. Die Betreiber der Steinkohlekraftwerke im Ruhrgebiet sowie die chemische Industrie als Schlüsselbranche warteten dringend auf Antworten, so Kutschaty.
Die SPD forderte die schwarz-gelbe Landesregierung zugleich auf, Blockaden beim Ausbau der erneuerbaren Energien aufzugeben. Mit dem bisherigen Mindestabstand von 1000 Metern, der in der Regel zwischen Windrad und Wohnbebauung eingehalten werden muss, werde eine Beschleunigung der Energiewende verhindert.
„Lösen Sie ihre selbst geschaffenen Bremsen bei den Erneuerbaren. Es reicht nicht, nur nach Berlin zu zeigen und schlaue Tipps zu geben“, appellierte auch Grünen-Fraktionschefin Verena Schäffer an Wüst. Die Landesregierung trage Mitverantwortung, die Abhängigkeit Deutschlands von Putins Ressourcen zu lösen.
Wüst will an Windrad-Abstandsregeln festhalten
Der Ministerpräsident will jedoch an der Abstandsregel festhalten: „Wenn Einigkeit vor Ort besteht, kann man schon heute die Abstände zwischen Windparks und Wohnsiedlungen verringern“, sagte Wüst gegenüber unserer Redaktion. FDP-Fraktionschef Christof Rasche sprach sich derweil für eine Laufzeitverlängerung von Kraftwerken aus: „Ich sage voraus: Wir kommen an einer Laufzeitverlängerung nicht vorbei – vermutlich bis Ende der 20er Jahre.“
Nach Plänen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) soll Strom in Deutschland bis 2035 nahezu vollständig durch erneuerbare Energien erzeugt werden. Entsprechende Maßnahmen, die deutlich über bisherige Ausbaupläne hinausgehen, hat die Ampel-Koalition am Mittwoch in einem „Osterpaket“ festgelegt.