Essen. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Thomas Feltes von der Ruhr-Universität Bochum fordert, dass der Konsum von Cannabis legalisiert wird. Er hält eine Strafverfolgung von Haschisch-Rauchern für nicht mehr angemessen und warnt vor unreinem Stoff, der zu härterem Drogen-Konsum führen könnte.
Die Strafverfolgung von Cannabis-Konsumenten ist nicht angemessen, meint Prof. Dr. Thomas Feltes vom Lehrstuhl für Kriminologie, Kriminalpolitik und Polizeiwissenschaft an der Ruhr-Universität in Bochum. Er erklärt im Gespräch mit Stefan Rebein, warum er sich dafür einsetzt, dass der Konsum von Cannabis in Deutschland straffrei werden soll.
Frage: Herr Feltes, Sie haben die Resolution des Schildower Kreises unterschreiben. Darin fordern mehr als 100 renommierte Rechtswissenschaftler neue Gesetze, die den Konsum von Cannabis legalisieren. Was hat Sie dazu bewogen, die Resolution mitzutragen?
Prof. Thomas Feltes: Ehrlich gesagt bin ich kein Fan von solchen Resolutionen. Es ist dies das erste Mal seit vielen Jahren, dass ich unterschrieben habe. Konkret haben mich verschiedene Gründe dazu bewogen, sowohl medizinische, als auch ökonomische und juristisch-kriminologische Gründe. So ist als erstes die Art und Weise der Strafverfolgung sehr unterschiedlich und dem zugrunde liegenden Problem nicht angemessen.
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In den einzelnen Bundesländernwerden Cannabis-Konsumenten ungleich behandelt, was mich als Juristen stört: Die Grenzen, bis zu denen ein Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt wird, reichen von 6 Gramm bis zu 30 Gramm. Dies bedeutet eine nicht unerhebliche Ungleichbehandlung, die sich bei den Verurteilungen fortsetzt. Vor allem aber muss es ein Ziel der Strafrechtspolitik sein, die Kriminalisierung, die durch diese Form der Strafverfolgung betrieben wird, zu vermeiden.
Welche Bedenken hegen Sie?
Feltes: Es ist an der Zeit, die bisherige Linie der strikten Verfolgung von Cannabis-Konsumenten aufzugeben und zu differenzieren. Marihuana-Konsumenten dürfen nicht genauso behandelt werden wie Benutzer von synthetischen und härteren Drogen. Man muss einerseits erkennen, wie weit der Cannabis-Konsum in unserer Gesellschaft inzwischen verbreitet ist, und dem entgegensteuern. Das kann man nur durch differenzierte Vorgehensweisen.
Immer häufiger enthält Marihuana beigemischte chemische Substanzen, zudem steigt der THC-Wert, so dass Cannabis tatsächlich zur Einstiegsdroge wird. Es gibt vermehrt tatsächlich von Cannabis auch körperlich abhängige Menschen, und denen muss geholfen werden. Bestrafung ist hier unnütz, unwirksam und schädlich.
Was eine Legalisierung von Cannabis bewirken könnte
Was würde sich nach einer Legalisierung verbessern?
Feltes: Wenn wir klare Regelungen wie zum Beispiel in den USA hätten, wo der Staat (zum Beispiel in Colorado und Kalifornien), den Vertrieb und die Kontrolle von Marihuana in der Hand hat, dann kann man den Vertreib und damit auch den Gewinn aus dem Verkauf dieser Droge steuern. Wieso soll die organisierte Kriminalität hier Gewinn machen?
Zudem lässt sich vermeiden, dass unreines oder hochgezüchtetes Marihuana im Umlauf ist. Der zunehmend höhere und ungleiche, d.h. nicht mehr kontrollierbare THC-Gehalt kann nicht nur psychisch, sondern auch körperlich abhängig machen. Wir sehen bereits eine aus der Abhängigkeit resultierende zunehmende Verelendung der Konsumenten. Schon jetzt ist die sogenannte Beschaffungskriminalität für einen erheblichen Teil der Eigentumsdelikte verantwortlich. Und ich stelle die Behauptung auf, dass für den Anstieg beim Einbruchdiebstahl nicht nur osteuropäische Banden verantwortlich sind, sondern auch Drogenabhängige, die Geld für ihre Sucht benötigen.
Wie ließe sich denn ein staatlich kontrollierter Konsum abwickeln?
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Feltes: Wir kennen von der Methadonvergabe, dass so etwas prinzipiell möglich ist. Und schon jetzt wird medizinischreines Cannabis über Apotheken verkauft. Es gibt Patienten, die aufgrund einer Ausnahmeerlaubnis durch die Bundesopiumstelle Cannabisblüten in der Apotheke kaufen dürfen, und erst kürzlich hat ein Gericht entscheiden, dass solche Personen nicht bestraft werden dürfen, wenn sie sich diese Cannabisblüten in dem nötigen Umfang selbst anbauen. Die Details müssten Experten klären. Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, und die „Coffee-Shops“ in den Niederlanden haben gezeigt, wie es gehen kann.
Glauben Sie an eine baldige gesetzliche Neuregelung?
Feltes: Der erste Schritt ist wohl der schwierigste. Beim Drogengebrauch gibt es in unserer Gesellschaft eine große Barriere, wenn es um sogenannte „illegale“ Drogen geht, während Alkohol, Nikotin und Medikamente weitestgehend akzeptiert sind, obwohl sie einen wesentlich größeren gesellschaftlichen Schaden anrichten als beispielsweise Cannabis.
Drogenabhängigkeit wird häufig tabuisiert im Gegensatz zu Medikamentensucht oder Alkoholismus. Auch die Polizei hat längst erkannt, wie dysfunktional die jetzige Gesetzlage für Cannabis-Konsum ist. Die Beamten könnten nach einer entsprechenden Teil-der Legalisierung leichter Drogen sich auf den Handel mit harten Drogen konzentrieren. Wir haben jetzt unsere Argumente auf den Tisch gelegt. Vielleicht stößt die Resolution eine Diskussion in unserer Gesellschaft an.