Dortmund/Berlin. Weil eine atomfreundliche Piraten-Arbeitsgruppe angeblich den Eindruck erweckte, sie spreche im Namen der Partei, hat die Pressestelle die Gruppe samt ihrem Dortmunder Chef abgemahnt. Das ärgerte viele Piraten so sehr, dass der Bundesvorstand sich einschalten und entschuldigen musste.

Die Abmahnung kam per Einschreiben. Künftig, so verlangte es der Absender, solle Rainer Klute es unterlassen, "den Eindruck zu erwecken, Erklärungen und Positionen der Piratenpartei Deutschland abzugeben". Der Absender ist die Bundespressestelle der Piratenpartei. Der Partei, der auch der Dortmunder Rainer Klute seit 2009 angehört und für die er die Arbeitsgruppe "Nuklearia" leitet.

Diese Arbeitsgruppe, die nach Klutes Angaben aus rund 20 Mitgliedern besteht, hatte in der vergangenen Woche ein Flugblatt herausgegeben, das in der Berliner Pressestelle viel Ärger auslöste. "Wohin mit dem Atommüll?" ist es überschrieben und beschäftigt sich mit der Frage, wie Atommüll entsorgt werden könne. Dabei geht aus dem Text hervor, dass hier keine Öko-Piraten am Werk sind, sondern klare Befürworter von Kernenergie - eine Minderheit unter den Piraten-Anhängern.

Mit juristischen Drohungen gegen eine abweichende Meinung

Für die Pressestelle ging das zu weit: Sie mahnte Klute und die Arbeitsgruppe "Nuklearia" im Namen der Piraten ab und verlangte eine Unterlassungserklärung, einzureichen bis Montag. Sonst würde die Partei eine gerichtliche Unterlassungsverfügung erwirken. Begründung: Das Flugblatt sei irreführend und begründe eine erhebliche, offensichtlich sogar intendierte Verwechslungsgefahr."

Rainer Klute, der Abgemahnte, fühlte sich wie im falschen Film. "Uns war klar, dass wir nicht für die Partei sprechen dürfen und auch, dass wir diesen Eindruck nicht erwecken dürfen", sagt er. Deshalb sei auf dem Flugblatt kein Parteilogo zu finden, deshalb habe sich die Arbeitsgruppe bewusst für eine Farbe entschieden, die sich vom Piraten-Orange absetzt.

Abmahnungen sind für Piraten ein rotes Tuch

"Da gehen erwachsene Menschen miteinander um, als wären wir im Kindergarten", sagt Klute. Das Verhalten der Pressestelle sei "unprofessionell". Aus der Pressestelle habe niemand versucht, ihn im Vorfeld der Abmahnung zu kontaktieren.

Der Informatiker ist zu den Piraten gegangen, weil ihm an den Grundrechten liegt. Bei den anderen Parteien, so sagt er, sei ihm dieses Thema zu nebensächlich behandelt worden. Nun musste er erleben, wie seine Partei ihm das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung per Abmahnung untersagte. Ausgerechnet per Abmahnung, muss man sagen. Denn Abmahnungen sind das Lieblingsinstrument von Anwälten der Musik- und Filmindustrie. Der Branche also, der die Piraten äußerst kritisch gegenüberstehen.

Der Piraten-Streit um die Abmahnung eskaliert auf Twitter

Und so passierte, was bei den Piraten immer passiert, wenn eines ihrer Mitglieder ein Fettnäpfchen erwischt: Auf Twitter brach Krieg aus. Voll Zynismus schrieb @prauscher "Am besten sagen wir unsere Meinung nur noch über die Pressesprecher. Die können auch passend filtern, was Parteimeinung ist."

@sekor schloss sich inhaltlich an: "Seit gestern sind wir die Partei, in der wir Meinungsvielfalt per juristischer Drohung unterbunden wird." Viele tausend Tweets mit dem Hashtag #abmahnung wurden am Wochenende verschickt. Die meisten Absender distanzierten sich vorsichtig von den Kernkraftbefürwortern, schossen aber scharf gegen das rigide Vorgehen der Pressestelle - und forderten den Bundesvorstand der Piraten auf, sich endlich einzuschalten.

Piraten-Chef Schlömer entschuldigt sich telefonisch

Das geschah am Sonntagabend: Piraten-Bundesvorsitzender Bernd Schlömer, auf Twitter unter @bubernd bekannt, schrieb: "Die Abmahnung hat für mich keine Relevanz. Ich folge ihr nicht und ich schließe aus ihr nichts." Später legte der Bundesvorstand nach. Per Umlaufbeschluss wurde entschieden, dass Abmahnungen zukünftig nur dann ausgesprochen werden können, wenn der Bundesvorstand das abgesegnet hat. Schlömer rief Klute an und entschuldigte sich für das Verhalten der Pressestelle.

Für Pirat Klute eine Genugtuung: "Klar kratzt es an der Motivation, wenn dich die eigene Pressestelle so behandelt. Aber die Unterstützung auf Twitter und durch den Bundesvorstand war angenehm." Nun, so hofft er, könne man endlich über Inhalte statt über Formalitäten diskutieren.