Rom..
Der Vatikan hat erstmals explizit klargestellt, dass bei sexuellem Missbrauch durch Geistliche die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten sind. Zuletzt waren mehrfach Vorwürfe laut geworden, dass auch der Vatikan Verdachtsfälle vertuscht und die Ermittlungen verschleppt habe.
Der Vatikan hat erstmals explizit die Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden bei Fällen von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche betont. „Die zivilen Rechtsvorschriften betreffend die Anzeige von Verbrechen bei den zuständigen Behörden sollten immer befolgt werden“, heißt es in einer am Montag auf der Website des Vatikans veröffentlichten Richtlinie.
In einem noch am Freitag verbreiteten Entwurf der Richtlinie war dieser Hinweis nicht enthalten gewesen. Zuletzt waren mehrfach Vorwürfe laut geworden, dass auch der Vatikan Verdachtsfälle vertuscht und die Ermittlungen verschleppt habe. Eine offizielle Erklärung für die ergänzende Klarstellung gab es nicht.
Keines der zentralen Dokumente des Vatikans hält die Bischöfe explizit dazu an, Verdachtsfälle bei der Polizei zu melden. Implizit findet sich ein Hinweis auf die zentrale Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden im Dokument „Gaudem et Spes“ aus dem Jahr 1965. Unter den katholischen Bischöfen in Deutschland wurde dennoch kontrovers diskutiert, ob bei Verdacht auf sexuellen Missbrauch durch Kirchenangehörige eine Anzeigepflicht bestehe.
Nun hat der Vatikan in seinem „Leitfaden zum besseren Verständnis der grundlegenden Maßnahmen der römischen Kongregation für die Glaubenslehre im Fall von Vorwürfen sexuellen Missbrauchs“ dies explizit betont. Der Leitfaden richte sich „zur Einführung und Hilfe für Laienchristen und Nichtkanonisten“. Das anzuwendende Recht sei jedoch das „Motu Proprio Sacramentorum sanctitatis tutela“ vom 30. April 2001 zusammen mit dem Codex des kanonischen Rechtes.
Mit der Klarstellung vom Montag reagiert der Vatikan offenbar auf die massive Kritik der vergangenen Wochen. Ende vergangener Woche hatte sich Papst Benedikt XVI. bereits zu Treffen mit weiteren Missbrauchs-Opfern bereiterklärt.
Neuer Verdachtsfall in Norddeutschland
Derweil gibt es in Norddeutschland schwere Missbrauchsvorwürfe gegen einen katholischen Geistlichen. Der heute 67-Jährige soll in den 1970er- und 80er-Jahren als Kaplan in Bremen und Lingen Kinder missbraucht haben. Das Erzbistum Hamburg hat im März die Staatsanwaltschaften in Bremen und Osnabrück entsprechend informiert, wie am Montag bekannt wurde. Die Behörden prüfen nun, ob die Taten verjährt sind.
In Lingen sollen zwischen 1976 und 1983 zwei Mädchen betroffen gewesen sein, in Bremen 1972 oder 1973 ein Junge. Selbst wenn Gewalt im Spiel gewesen wäre, seien die Taten vermutlich verjährt, sagte Alexander Retemeyer von der Staatsanwaltschaft Osnabrück.
Nach Angaben von Jörg Hauschild, Sprecher der Staatsanwaltschaft Bremen, teilte das Erzbistum in seiner Anzeige mit, der Vorfall sei aus Unterlagen des Jahres 2004 „in die Bearbeitung gekommen“. Das Erzbistum Hamburg erklärte, man sei dem Vorfall schon 2004 nachgegangen, habe damals aber die Staatsanwaltschaft noch nicht informiert. „Da haben wir hinzugelernt“, sagte Sprecher Manfred Nielen.
Der Priester sei seit 1995 für das Erzbistum in einer Gemeinde in Albanien tätig gewesen. Er habe eine Therapieauflage bekommen. Anschließend habe er wieder in der Seelsorge arbeiten dürfen, aber im Team und möglichst nicht mit Jugendlichen. Aus Albanien seien bislang keine Missbrauchsvorwürfe bekannt.
Das Erzbistum habe sich jetzt an die Behörden gewandt, weil zwei Frauen in Lingen Vorwürfe gegen den Mann erhoben hätten. Der Priester sei noch im März in den Ruhestand versetzt worden und lebe jetzt in Hamburg. (apn)