Essen. Der VdK findet viel Gutes im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen. Andere Reaktionen sind kritischer - besonders aus der Pflege.

Während SPD-Parteichef Thomas Kutschaty kurz nach Vorstellung des ersten schwarz-grünen Koalitionsvertrags für NRW von einer „Besserverdiener-Koalition“ sprach, die nicht alle Menschen im Blick habe und wichtige soziale Themen nicht anspreche, finden Sozial- und Wohlfahrtsverbände durchaus wohlwollende Worte für das 148 Seiten starke Werk.

Der Sozialverband VdK mit seinen fast 400.000 Mitgliedern in NRW spricht von vielen guten Ansätzen, lobt, dass Barrierefreiheit im Koalitionsvertrag verankert, Entlastungen für pflegende Angehörige und eine Armutskonferenz angekündigt werden. Die Rede ist gar von Neugierde auf geplante Instrumente zur Bürgerbeteiligung.

Frank Johannes Hensel, Sprecher der Caritasdirektoren in NRW, lobt, der Vertrag betone die Verbindung von Klimaschutz, soziale Sicherheit und Generationengerechtigkeit. Hensel sieht NRW am Beginn eines „ambitionierten Vielseitigkeitsrennens“ und mahnt, dass etwa der versprochene Ganztagsausbau noch den Praxistest bestehen müssten.

Pflege beklagt fehlenden Mut, Uniklinik-Beschäftigte sind enttäuscht

Nach über zwei Jahren Corona-Pandemie und einer noch längeren Debatte um den Pflegenotstand ist die Kritik vor allem aus den Reihen der Pflege groß: „Die Pflege ist eine Leerstelle im Koalitionsvertrag“, ärgert sich die Arbeitgeberinitiative „Ruhrgebietskonferenz Pflege“. Es fehlten der Mut zu Innovationen, Strategien zur Digitalisierung und der Behebung des „ambulanten Versorgungsnotstandes“ in der Alten- und Langzeitpflege.

Auch bei den seit Mai streikenden Beschäftigten der Unikliniken im Land ist der Verdruss gewaltig: Finanzzusagen, um den geforderten „Tarifvertrag Entlastung“ möglich zu machen, fehlen im Vertrag. Bei den Landesparteitagen von CDU und Grüne wollen Streikende diese Nachbesserung einfordern. Der Pflegeberufsverband DBfK dagegen freut sich, viele seiner Forderungen im Koalitionsvertrag wiedergefunden zu haben: das Festhalten an der Pflegeberufekammer etwa und eine Mindestbesetzung für die Nachtschicht im Altenheim.

Dass NRW mit der Krankenhausreform voranschreiten will, findet wenig überraschend bei den kostengeplagten Krankenkassen viel Fürsprache. Auch die Krankenhausgesellschaft NRW spricht von „wertvollen Signalen“, freut sich über angekündigte „erhebliche finanzielle Anstrengungen“ für die Kliniken, einen Klimaschutzfonds und ein anvisiertes engeres Miteinander von ambulanter und stationärer Versorgung.

Hans-Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe, ergänzt einschränkend, es fehlten an vielen Stellen konkrete Zielsetzungen, etwa, wie die angekündigten 20 Prozent mehr Medizinstudienplätze geschaffen und der Öffentliche Gesundheitsdienst gestärkt werden kann.

Wohnungswirtschaft: Hürden abbauen statt jetzt über eine Solarpflicht zu sprechen

Den Unternehmen sind die Absichtserklärungen ebenfalls vielfach zu abstrakt. Der Unternehmerverband NRW findet aber: Die Grundausrichtung des Koalitionsvertrag stimmt – insbesondere, den Industriestandort stärken und den Weg in die Treibhausgasneutralität unterstützen zu wollen.

Mit einem sehr konkreten Vorhaben hat die Wohnungswirtschaft indes so ihre Probleme: Bevor sich NRW mit einer geplanten Solardachpflicht auseinandersetze, sollten eher die Hürden beim Mieterstrom abgebaut werden, mahnt der Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Rheinland-Westfalen. „Denn die Wohnungswirtschaft hätte in den vergangenen Jahren gerne viel mehr Solarmodule installiert“, heißt es vom Verband.