New York.. Schläge und Elektroschocks sind in syrischen Gefängnissen an der Tagesordnung. Das beklagt die Organisation Human Rights Watch. Demnach werden Zehntausende Inhaftierte systematisch gefoltert. Die Menschenrechtler haben grausame Methoden dokumentiert - bis hin zu Todesfällen.
In syrischen Gefängnissen werden nach Angaben der Organisation Human Rights Watch (HRW) zehntausende Menschen gefangen gehalten und systematisch gefoltert. Inhaftierte würden mit Schlägen, Elektroschocks und anderer Gewalt gequält, heißt es in einem am Dienstag in New York veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation, für den mehr als 200 ehemalige Gefangene sowie zur Opposition übergelaufene Armee- und Geheimdienstangehörige befragt wurden. HRW spricht von einem „Folterarchipel“ mit landesweit rund 27 Haftzentren.
„Fast alle“ Befragten hätten Folter selbst erlebt oder beobachtet, darunter „lang anhaltende Schläge, häufig mit Gegenständen wie Stöcken oder Drähten“, heißt es in dem Bericht. Eine Foltermethode sei „das Festhalten der Gefangenen in Stresspositionen über einen langen Zeitraum“. Den Häftlingen würden Stromschläge zugefügt oder Brandwunden mithilfe von Autobatterien. Fingernägel würden herausgerissen, auch gebe es sexuelle Übergriffe und Demütigungen. In dem Bericht ist auch von Schein-Hinrichtungen die Rede. Mehrere Befragte mussten mitansehen, wie Folteropfer starben.
Mit Elektroschockpistolen an den Genitalien gefoltert
Ein 31-Jähriger wird zitiert, dessen Finger während des Verhörs mit Zangen gequetscht wurden. Seine Peiniger hätten Klammern in seinen Fingern, an der Brust und an den Ohren befestigt. „Ich durfte sie nur entfernen, wenn ich redete. Die Nägel in den Ohren waren am schmerzhaftesten“, sagte er. „Sie benutzten zwei Drähte, die an einer Autobatterie befestigt waren, um mir Elektroschocks zuzufügen“, fügte der Mann hinzu. Zwei Mal sei er mit Elektroschockpistolen an den Genitalien gefoltert worden. „Ich dachte, ich würde meine Familie nie wiedersehen. Sie haben mich drei Mal in drei Tagen so gefoltert.“
Wie Human Rights Watch von den befragten ehemaligen Mitgliedern der Sicherheitskräfte erfuhr, gibt es in Syrien 27 Gefängnisse, die von den als „Muchabarat“ bekannten vier wichtigsten Geheimdiensten des Landes geführt werden. Außerdem würden Gefangene in Stadien, Militärstützpunkten, Schulen und Krankenhäusern festgehalten. Die Gefängnisse seien überbelegt, die Insassen bekämen schlechte Nahrung. Eine medizinische Versorgung werde ihnen verweigert.
Häftlinge werden laut Ex-Offizier lebendig in einen Sarg gelegt
Ein ehemaliger Offizier berichtete laut HRW von weiteren verbreiteten Methoden der syrischen Folterer. Demnach werden Gefangene an den Händen aufgehängt oder lebendig in einen Sarg gelegt und mit dem Tod bedroht. „Sie befestigen Nägel unter deinen Füßen und schlagen dich, damit du damit läufst“, sagte der Ex-Offizier.
Syriens Präsident Baschar al-Assad lässt die Protestbewegung in seinem Land seit März 2011 brutal niederschlagen. Nach Angaben der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden seitdem mehr als 16.500 Menschen in dem Land getötet.
Assad äußert Bedauern für Abschuss von türkischem Kampfflugzeug
Der syrische Präsident Baschar Assad hat unterdessen sein Bedauern über den Abschuss eines türkischen Kampfflugzeugs ausgedrückt. "Ich wünschte, wir hätten es nicht abgeschossen", sagte Assad in einem am Dienstag veröffentlichtem Interview der türkischen Zeitung "Cumhüriyet". Er werde nicht zulassen, dass die Spannungen zwischen den Nachbarstaaten in einen bewaffneten Konflikt führten. "Wir haben unsere Kräfte nicht an der türkischen Grenze verstärkt und werden davon absehen", sagte Assad.
Entschuldigen wollte sich Assad nicht. Er hätte sich dann entschuldigt, wenn sich das Flugzeug nicht im syrischen Luftraum befunden hätte, erklärte er. Das Flugzeug habe sich jedoch in einem Korridor im syrischen Luftraum befunden, der 2007 von israelischen Flugzeugen genutzt worden sei, um einen Angriff auf ein Gebäude im Norden des Landes zu fliegen. Laut Internationaler Atomenergiebehörde (IAEA) handelte es sich dabei um fast fertigen Atomreaktor.
Assad: "Wir sind im Kriegszustand"
Die syrischen Streitkräfte hätten das Flugzeug nicht identifizieren können, erklärte Assad in dem Interview weiter. "Wir sind im Kriegszustand, und jedes nicht identifizierbare Flugzeug ist ein feindliches Flugzeug".
Die Türkei erklärte zuvor, die syrischen Streitkräfte hätten das Kampfflugzeug in internationalem Luftraum abgeschossen, nachdem es am 22. Juni kurzzeitig in syrischen Luftraum eingedrungen sei. Zudem seien die Bordsysteme, die eine Identifizierung des Flugzeuges ermöglichen, während des gesamten Fluges eingeschaltet gewesen.
Die Türkei reagierte auf den Abschuss mit der Bereitstellung von Flugabwehreinheiten an der Grenze zu Syrien. Die türkische Luftwaffe ließ mehrmals Kampfflugzeuge aufsteigen, weil sich syrische Hubschrauber der Grenze genähert hatten. (afp/dapd)