München. Die Staatsanwaltschaft München hat Anklage gegen den mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk erhoben. Ihm wird Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen vorgeworfen. Der heute 89-Jährige soll als Wächter im Vernichtungslager Sobibor Menschen in Gaskammern getrieben haben.
Gegen den mutmaßlichen NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk ist am Montag Anklage erhoben worden. Dem 89-jährigen gebürtigen Ukrainer wird Beihilfe zum Mord in insgesamt 27 900 Fällen vorgeworfen, wie die Staatsanwaltschaft München I am Montag mitteilte. Er soll 1943 als Wächter im deutschen Vernichtungslager Sobibor in Polen Tausende Menschen, zumeist Juden, in Gaskammern getrieben haben. Demjanjuk befindet sich seit seiner Abschiebung aus den USA in München in Untersuchungshaft.
Wann der Prozess beginnt, ist noch unklar. Der Fall soll vor dem Schwurgericht des Landgerichts München II verhandelt werden. Nach den vorliegenden ärztlichen Gutachten geht die Justiz von einer Verhandlungsfähigkeit des Angeschuldigten aus. Die Ärzte haben jedoch empfohlen, die tägliche Verhandlungsdauer auf zweimal 90 Minuten zu beschränken.
Anwalt hält sich bedeckt
Demjanjuks Pflichtverteidiger Günther Maull sagte, er warte nun auf die Anklageschrift, um darauf seine Verteidigungsstrategie aufzubauen. Mehr könne er dazu derzeit noch nicht sagen. Vor einigen Wochen kündigte Maull aber bereits in einem ddp-Gespräch an, dass er Demjanjuk raten werde, «zur Sache überhaupt nichts zu sagen». Die Chancen, dass das Landgericht die Anklage nicht zulässt, bezeichnete Maull als gering. «Jetzt muss man halt schauen, wie es weitergeht», betonte der Anwalt. Zum Gesundheitszustand seines Mandanten wollte er sich nicht äußern.
Demjanjuk war nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA ausgewandert und von dort im Mai nach Deutschland abgeschoben worden. Ein US-Bundesgericht hatte ihm zuvor die US-Staatsangehörigkeit entzogen, da er bei der Einreise in die USA falsche Angaben gemacht habe. Seit der Ankunft in München befindet er sich in Untersuchungshaft im Gefängnis Stadelheim. Eine Verfassungsbeschwerde Demjanjuks gegen die Abschiebung wurde vergangene Woche vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen.
Dienstausweis als wichtigstes Indiz
Falls es wie erwartet zum Strafprozess gegen Demjanjuk kommt, wird es vor allem um seine Identität gehen. Ihre Hoffnungen stützt die Münchner Staatsanwaltschaft auf einen in einem Archiv entdeckten SS-Dienstausweis Demjanjuks. Nach Ansicht der Experten vom Bayerischen Landeskriminalamt, die ihn mit anderen Dienstausweisen verglichen, ist das Dokument echt. Demjanjuk bestreitet dies und sprach von einer Verwechslung. Er sei nur als landwirtschaftlicher Arbeiter und Kriegsgefangener in Sobibor gewesen und nicht als KZ-Wächter. (ddp)