Düsseldorf. Manche seien mit “einfachsten und trivialsten Dingen“ überfordert: Uni-Rektoren aus NRW zeichnen ein alarmierendes Bild von heutigen Studienanfängern.
Universitäten und Fachhochschulen beklagen eine zunehmende Studierunfähigkeit von Schulabgängern. „Die Kenntnisse mancher Erstsemester in Mathe oder Rechtschreibung sind katastrophal“, sagte Prof. Marcus Baumann, Chef der Landesrektoren der Fachhochschulen, am Mittwoch im Landtag. Viele Studenten seien schon mit den „einfachsten und trivialsten Dingen“ überfordert.
Der Chef der Landesrektorenkonferenz der Universitäten, Prof. Gerhard Sagerer, berichtete von ähnlich schlechten Erfahrungen an den Unis: „Die jungen Menschen werden an den Schulen leider nicht mehr breit ausgebildet. Stattdessen spezialisieren sich die Schüler in der Oberstufe auf bestimmte Inhalte und sind dann im Studium nicht selten überfordert.“
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Marcus Baumann pflichtete ihm bei. Der Lernstoff aus der Mittelstufe werde nicht richtig verinnerlicht und fehle oft beim Start ins Studium. Der Rückstand sei später kaum noch aufzuholen. Selbst Bachelor- und Masterarbeiten fielen durch „katastrophale Rechtschreibfehler“ auf.
Fast alle Anfänger brauchen einen Vorbereitungskurs
Manche Rektoren machen die Verkürzung der Gymnasialzeit (G8) für die Studierunfähigkeit vieler Erstsemester verantwortlich. Die Folge seien Defizite in Mathe und in Fremdsprachen, sagte Prof. Ingo Böckenholt, Präsident der privaten Hochschule International School of Management (ISM) in Dortmund. „Heute gibt es kaum einen Studienanfänger, der nicht einen Vorbereitungskurs absolvieren muss, um sich fehlendes Schulwissen anzueignen. Wir verstehen uns nicht als Reparaturbetrieb der Gymnasien“, erklärte Böckenholt.
Außerdem seien viele Studienanfänger wegen der verkürzten Schulzeit und des Wegfalls von Zivildienst und Wehrpflicht nicht reif fürs Studium. Schon die Studienwahl falle diesen Teenagern schwer. „Aus unserer Sicht wäre eine Rückkehr zu G9 wünschenswert“, so der ISM-Präsident.
"Wir können nicht mehr so elitär denken“
Die Klagen über die Studierfähigkeit seien so alt wie das Abitur selbst, kontert Isabell van Ackeren, Bildungswissenschaftlerin und Prorektorin an der Uni Duisburg-Essen. Untersuchungen hätten keine signifikanten Leistungsunterschiede gezeigt zwischen Schülern, die nach acht oder neun Jahren das Abitur ablegten.
Für eine Rückkehr zu G9 sehe sie daher keine wissenschaftliche fundierte Begründung. „Das Problem ist vielmehr, dass die Schülerschaft heute viel heterogener ist als vor einigen Jahrzehnten“, so van Ackeren. Mittlerweile besuche etwa die Hälfte eines Altersjahrgangs ein Gymnasium. Darauf müssten sich die Hochschulen mehr einstellen und mit passgenauen Angeboten die Studienanfänger unterstützen. „Das ist heute ein Auftrag von Hochschulen. Wir können nicht mehr so elitär denken.“