Castrop-Rauxel. Seit 100 Jahren gibt es den Club der „guten Schwestern“, der Soroptimisten. Grund für die Frauen im Ruhrgebiet, gemeinsam Wurzeln zu schlagen.

Von Hause aus hat Christine Wolf eher mit Totholz zu tun. Doch an diesem kühlen Herbsttag macht die Leiterin der ­öffentlichen Bibliothek Witten mit sichtlicher Freude eine Ausnahme: In einem Waldstück in Castrop-Rauxel steckt die 60-Jährige mit einem zufriedenen Lächeln eine noch sehr junge Stieleiche in ein Erdloch. Mit den Wanderschuhen wird rechts und links die aufgetürmte Erde hineingeschoben, einmal festklopfen, fertig steht das Pflänzchen.

„Mein erster selbst gepflanzter Baum“, verrät Wolf augen­zwinkernd und wird an diesem Vormittag damit wohl nicht die Einzige sein.

Erinnerung an die Gründerinnen der „Soroptimist International“

Rund 80 Frauen aus dem ganzen Ruhrgebiet sind nach Castrop-Rauxel gekommen, um das Waldstück „Grutholz/Nierholz“ des Regionalverbandes Ruhr (RVR) ein Stück weit aufzuforsten. Der Wald hat es nötig. Stürme, Dürren und Schädlinge haben ihm so sehr zugesetzt, dass sich zunehmend wilde Brombeer-Sträucher ausbreiten, wo vor Kurzem noch Laubhölzer standen.

Die Frauen indes wollen mit den Setzlingen nicht nur etwas für den Klimaschutz tun, sondern auch an ihre Wurzeln erinnern: Sie alle gehören zu den Soroptimisten, einem 100 Jahre alten Service-Club, dessen Gründerinnen einst in Kalifornien Mammutbäume retteten.

Soziale Projekte im Ruhrgebiet

„Hier an dieser Stelle im Wald ist zwar nicht mehr allzu viel zu retten, deshalb pflanzen wir ja neu“, sagt Sabine Reimann mit Blick auf die noch sehr lichte Lichtung vor ihren Füßen. „Der Umweltgedanke war aber schon vor hundert Jahren aktuell und wir könnten heute nichts Aktuelleres tun als Bäume zu pflanzen.“

Reimann engagiert sich in Essen für „Soroptimist International“, darüber hinaus auch im Deutschlandvorstand und europaweit. Im Ruhrgebiet gibt es 20 Clubs. Anders als etwa der vielleicht bekanntere Service-Club der Rotarier richten sich die Soroptimisten ausdrücklich an berufstätige Frauen, die sich in über 100 Ländern dieser Welt für bessere Lebensbedingungen von Mädchen und Frauen einsetzen.

Sabine Reimann .
Sabine Reimann . © FUNKE Foto Services | Jakob Studnar

Im Ruhrgebiet heißt das: Die Soroptimisten sammeln mit eigenen Aktionen Spenden für Frauenhäuser, sie ermöglichen in der einen Stadt Leseunterstützung für benachteiligte Kinder, unterstützen in der anderen generationsübergreifende Gruppen für ein besseres Verständnis von Alt und Jung, sie machen am Internationalen Tag gegen Gewalt gegen Frauen überall im Land auf Gewaltopfer aufmerksam – und sie befassen sich mit gesellschaftlichen Entwicklungen.

Durchaus mit Sorge beobachte man etwa, dass Frauen in der Pandemie besonders belastet und vielfach zurück in alte Rollenbilder gefallen seien, sagt Reimann. Auch in den Soroptimisten-Clubs sei aufgefallen, dass sich gerade jüngere Mütter zurückgezogen haben. „Empowerment“, die Selbstbestimmung von Frauen und Mädchen, solle auch deshalb ein größeres Thema der deutschen Clubs werden.

In „Soroptimist“ steckt das Gendern gleich mit drin

In den Clubs treffen Juristinnen, Gleichstellungsbeauftragte, Gartenlandschaftsbauerinnen, Ärztinnen oder Pfarrerinnen aufeinander. Die Berufsgruppen sollten möglichst unterschiedlich sein, sagt die Gelsenkirchenerin Claudia Doussier-Klemencic. „Wir wollen eine gute Mischung, damit wir auch möglichst unterschiedliche Perspektiven zu unseren Themen erleben.“

Beispiel gefällig? Gendergerechte Sprache, also die Frage, wie Frau und Mann gleichberechtigt angesprochen werden können: „Darüber gibt es sehr unterschiedliche Meinungen bei uns, wie auch in der Gesellschaft insgesamt“, sagt Doussier-Klemencic. Und sie selbst? „Ich habe schon vor fünfzig Jahren Bücher dazu gelesen, dass Frauen nicht mehr einfach nur mitgemeint werden wollen“, sagt die Architektin. „Das ist doch Irrsinn, dass wir heute immer noch darüber reden.“

„Soroptimist“ werde übrigens nicht gegendert: Der Begriff hat seinen Ursprung im lateinischen „sorores optimae“, was „beste Schwestern“ bedeutet. Diesmal sind Männer also nicht mitgemeint. Im Ruhrgebiet sind sie aber Unterstützer und helfende Hände – wie etwa bei der Aufforstung in Castrop-Rauxel.

RVR-Förster Matthias Klar hatte sein Team bereits zwei Tage vor der Pflanzaktion in den Wald geschickt, um die ersten der rund 2500 gespendeten Stieleichen, Rotbuchen und Hainbuchen auf einer Fläche von rund 4000 Quadratmetern in den Boden einzubringen. 120 saubere Löcher haben die Fachleute zusätzlich ins Erdreich gebohrt, in die die Soroptimisten am Ende des Vormittags auch die letzten 120 Setzlinge selbst eingepflanzt haben. Die Frauen machen noch Selfies, als der 62-jährige Förster rundheraus zugibt: Er habe in all seinen Berufsjahren noch nie vor so einer großen Frauengruppe im Wald gestanden. Bei diesem Engagement könnten sie gern öfter kommen.

>> CLUBS VERNETZEN SICH

Laut Regionalverband Ruhr haben der Pfingststurm „Ela“ und die letzten extrem trockenen Sommer für erhebliche Schäden im „Grutholz/Nierholz“ gesorgt. Eine Fläche von rund 21 Hektar sei betroffen.

Mit der Pflanzaktion wollen sich die Soroptimisten im Ruhrgebiet stärker als bislang unter dem Dach „Metropole Ruhr plus“ vernetzen. Initiatorin ist Sabine Reimann.