Düsseldorf. Keine Vorfahrt für Akademiker: Das Handwerk fordert im Zuge der bevorstehenden Regierungsbildung mehr Wertschätzung von der Politik.
Das Handwerk nimmt die Feier für 826 Jungmeisterinnen und -meister am Sonntag im Düsseldorfer Stadion und die bevorstehende Regierungsbildung in NRW zum Anlass, die großen Herausforderungen für die Gewerke von Augenoptik bis Zahntechnik zu beleuchten. „Das Ziel echter Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung muss konsequenter verfolgt werden“, sagte am Mittwoch Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, die für weite Teile des Ruhrgebiets, des Niederrheins und des Bergischen Landes zuständig ist.
Warum kostet das Studi-Ticket weniger als das Azubi-Ticket?
„Wenn ich Paläste der universitären Bildung baue, aber handwerkliche Fähigkeiten in Waschbetonbauten vermittele“, dann sei auch das ein Signal an junge Menschen, sich für die Hochschulen zu entscheiden. „Und warum ist das Studenten-Ticket immer noch preiswerter als das Azubi-Ticket?“, fragte Ehlert in Richtung Landespolitik, besonders aber in Richtung von CDU und Grüne, die bald gemeinsam NRW regieren könnten.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und Grünen-Spitzenkandidatin Mona Neubaur werden die Jungmeisterinnen und -meister am Sonntag beglückwünschen.
Gute Zeiten -- schlechte Zeiten
Von schlechten Zeiten für das Handwerk könne zwar nicht gesprochen werden. Die Auftragsbücher vieler Betriebe, gerade im Bereich Sanitär, Heizung und Klima, sind voll. Aber die Schwierigkeiten nehmen zu, nicht nur, aber auch wegen der Pandemie und des Ukraine-Krieges. Materialmangel, kaputte Lieferketten, Inflation und steigende Zinsen drückten auf die Stimmung. Vor allem aber sei der sich seit Jahren verschärfende Fachkräftemangel ein Problem.
In Jahren ohne besondere Krisen wie die Pandemie werden im Kammerbezirk Düsseldorf etwa 1000 Meisterinnen und Meister ausgebildet. Benötigt würden aber doppelt so viele Jungmeister, um die aus dem Beruf ausscheidenden Fachkräfte ersetzen zu können. Die Tatsache, dass immer mehr Meister den Mut haben, sich selbstständig zu machen, sei da nur ein schwacher Trost, heißt es.
Bürokratie belastet die Firmen
Die Landespolitik könne an vielen Schrauben drehen, um jene Spezialisten aus der Praxis zu unterstützen, „ohne die eine Energie- und Verkehrswende gar nicht möglich wäre“, so Ehlert. Weit oben auf der Wunschliste steht der Bürokratieabbau. „Man kann sich bei so viel Papierkram kaum noch auf den Kunden und die Abläufe im Betrieb konzentrieren“, kritisierte Kfz-Technikermeister Stefan Jaegers. Unter den zwölf Mitarbeitern in seiner Firma seien allein drei Bürokräfte.
Das Handwerk werde zudem vielerorts als Folge einer „Wohnungsbau-Besoffenheit“ und steigender Mieten an die Stadtränder gedrängt, obwohl es in die Mitte der Städte gehöre, so Ehlert. Grundsätzliche Bedenken gegen eine Koalition aus CDU und Grünen hat er aber nicht: „Schwarz-Grün kann die Aufgaben der Zukunft meistern.“ Die Parteiprogramme richteten sich nicht gegen das Handwerk.