Berlin. Nach langem Schweigen äußert sich Bundesregierung im Satire-Streit mit der Türkei. Sie verteidigt das Erdogan-Video – und sich selbst.
Die Bundesregierung hat den Vorwurf zurückgewiesen, sie reagiere wegen der Abhängigkeit von der Türkei in der Flüchtlingskrise nicht klar genug auf deren Kritik an einer deutschen Fernseh-Satire. Nach dem Musikvideo „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ hatte die Türkei den deutschen Botschafter einbestellt. In der Öffentlichkeit war kritisiert worden, die Bundesregierung beziehe dazu nicht eindeutig Stellung.
Die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Wirtz sagte am Mittwoch, Sendungen wie der Beitrag von „extra 3“ gehörten aus Sicht der Bundesregierung selbstverständlich zur deutschen Medienlandschaft dazu. Sie seien von der Presse- und Meinungsfreiheit umfasst. Wirtz betonte, bei der Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei handle es sich um ein europäisches Abkommen.
Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes sagte am Mittwoch, die Pressefreiheit sei trotz aller gemeinsamen Interessen mit der Türkei für die Bundesregierung nicht verhandelbar. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte am Mittwoch bei einem Besuch in Usbekistan: „Ich finde, dass wir von einem Partnerland der Europäischen Union erwarten können (...), dass es unsere gemeinsamen europäischen Werte teilt.“ Auch die EU schaltete sich in den Streit ein: „Präsident (Jean-Claude) Juncker hat kein Verständnis dafür, wenn der deutsche Botschafter nur wegen eines satirischen Songs einbestellt wird“, sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch in Brüssel. Juncker sei der Überzeugung, dass dies die Türkei weiter von der EU entferne. Der Schritt scheine mit der Wahrung der Presse- und Meinungsfreiheit nicht in Einklang zu stehen.
Der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, war vergangene Woche wegen eines satirischen Beitrags in der ARD über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Gespräch einbestellt worden. Er machte dabei nach Angaben des Auswärtigen Amtes deutlich, dass politische Satire in Deutschland von der Presse- und Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Die EU hat der Türkei eine stärkere Annäherung im Gegenzug für die Übernahme von Flüchtlingen in Aussicht gestellt. Kritiker bemängeln dies wegen der zunehmenden Beschränkung demokratischer Rechte in der Türkei und des harten militärischen Vorgehens der Türkei gegen kurdische Extremisten.
Den Satire-Song über Erdogan haben die Macher von „extra 3“ mittlerweile auch mit türkischen Untertiteln versehen. Redaktionsleiter Andreas Lange hatte gesagt, Türken und andere Menschen außerhalb Deutschlands sollten den Song verstehen können. „Ich glaube daran, dass die Menschen in einem Land die Politik verändern können.“ Vielleicht trage das Video dazu bei, dass Erdogan in der Türkei künftig kritischer gesehen wird. „Wenn Herr Erdogan so weiter macht, wird er noch einige Male bei Extra 3 auftauchen.“ (rtr/epd/dpa)