Berlin. Wie viel braucht ein Kind mindestens zum Leben? Ein Bündnis von Sozialverbänden und Wissenschaftlern verlangt einheitlich 500 Euro als monatliche Grundsicherung. Damit soll die Förderung vereinheitlicht und Benachteiligungen vor allem ärmerer Familien abgeschafft werden.

500 Euro monatlich als Grundsicherung für jedes Kind in Deutschland hat ein Bündnis von Sozialverbänden und Wissenschaftlern gefordert. Dafür sollen in einem radikalen Schnitt alle bisherigen Familienleistungen abgeschafft werden. Ziel ist es, rund 2,4 Millionen Jungen und Mädchen bundesweit aus der Armut und aus einem Teufelskreis der Chancenlosigkeit zu holen, wie Christiane Reckmann vom Bündnis Kindergrundsicherung am Dienstag in Berlin sagte.

Die Regierung reagierte allerdings zurückhaltend. «Im Prinzip kann man darüber nachdenken, wie Leistungen für Kinder zusammengefasst werden können», erklärte ein Sprecher des Familienministeriums. Das sei ein Thema für die nächste Legislaturperiode. Er verwies auf die bereits laufende Gesamtprüfung der Familienleistungen bis 2011. «Die bisher vorgelegten Modelle allerdings sind nicht fundiert genug und werden deshalb von uns nicht unterstützt», erklärte der Sprecher.

Bisher ungleiche Förderung

Das Bündnis Kindergrundsicherung, dem unter anderen die Arbeiterwohlfahrt, der Deutsche Kinderschutzbund, die Erziehungsgewerkschaft GEW und diverse Sozialwissenschaftler angehören, rechnet nach eigenen Angaben auch nicht mit einem schnellen Erfolg. «Wir wollen gemeinsam eine Revolution in der Familienpolitik», sagte AWO-Präsidiumsmitglied Reckmann. «Wir wollen das schrottreife Fördersystem nicht länger reparieren, wir wollen es abwracken.»

Reckmann rechnete vor, dass die staatliche Hilfe für Kinder von Erwerbslosen - 211 bis 281 Euro monatlich je nach Alter - schlicht nicht ausreiche. Das Risiko armer Kinder für Gesundheitsgefahren wie Karies und Übergewicht sei drastisch höher, ihre Chancen auf Bildung und Förderung ihrer Talente etwa in Musik oder Kunst dramatisch niedriger als bei Altersgenossen aus wohlhabenderen Familien.

Gleichzeitig sei das bisherige staatliche Fördersystem ungerecht. Während Hartz-IV-Familien für ihre Kinder nur das Sozialgeld und kein zusätzliches Kindergeld bekämen, erhielten Arbeitnehmer mit niedrigem bis mittlerem Einkommen zumindest dieses in voller Höhe, nämlich 164 Euro im Monat für das erste bis dritte Kind und 195 Euro für alle weiteren Kinder. Gutverdiener mit mehr als 70.000 Euro im Jahr würden hingegen mit bis zu 240 Euro je Kind gefördert, weil sie von Steuervorteilen profitierten.

100 Milliarden Euro Kosten

Stattdessen sollen nach Vorstellungen des Bündnisses die einheitlich 500 Euro vom Staat für alle Kinder bis 27 Jahre künftig alles abdecken. Die Summe setzt sich zusammen aus dem vom Verfassungsgericht ermittelten Existenzminimum von 322 Euro und dem Erziehungs- und Bildungsbedarf von 180 Euro monatlich.

«Damit könnte der Staat zeigen, dass ihm alle Kinder gleich viel wert sind», sagte Reckmann. Die neue Leistung würde versteuert. Damit bliebe armen Familien meist die ganzen 500 Euro, während Gutverdiener nur einen Teil behalten würden. Trotzdem hätten fast alle Familien mehr als bisher, sagte Kinderschutzbund-Präsident Heinz Hilgers.

Kosten würde die neue Leistung den Staat brutto etwa 100 Milliarden Euro, wie Hilgers weiter sagte. Davon würden 30 Milliarden Euro durch die Besteuerung der Grundsicherung wieder hereingeholt. Der Großteil des Rests würde durch Streichung Familienleistungen wie Kindergeld, Sozialgeld, BAföG oder Ehegattensplitting gegenfinanziert. Unter dem Strich müsste der Staat zehn Milliarden Euro drauflegen - finanziert wahrscheinlich durch Einschnitte an anderer Stelle.


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