Düsseldorf. Der neue Ministerpräsident absolviert seine erste Fragestunde vor der Landespresse mit beachtlichen Werten auf der Olaf-Scholz-Skala.

Wenn sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zuletzt den regelmäßigen Runden der Düsseldorfer Landespressekonferenz stellte, war das für die sozialen Netzwerke stets ein Fest. Armin Laschet beantwortete die Fragen der NRW-Korrespondenten mal besser und mal schlechter gelaunt, meist ausführlich, immer emotional und oft mit reichlich Spielraum für Missinterpretationen.

Bei seinem letzten Auftritt dieser Art im vergangenen Sommer lieferte Laschet etwa ein fahrlässig formuliertes Zitat zur angeblichen Ungefährlichkeit der Delta-Variante des Corona-Virus, über das Twitter damals regelrecht ins Beben geriet.

Wer sich vergleichbaren Unterhaltungswert von seinem Nachfolger Hendrik Wüst versprochen hatte, wurde am Donnerstag jäh enttäuscht. Der neue Ministerpräsident spulte die gut 80 Minuten im Pressezentrum des Landtags in einer freundlichen Fehlerfreiheit herunter, die auf der Olaf-Scholz-Skala für Politiker-Professionalität beachtliche Werte erzielte. In den Sozialen Netzwerken fand der Auftritt keine nennenswerte Beachtung.

So unterhaltsam wie mit Laschet wird es nicht wieder

Seit Wüst im Oktober in der Düsseldorfer Staatskanzlei am Rheinufer eingezogen ist, arbeitet er bevorzugt auf einem „Deskbike“. Das ist eine Mischung aus Bürostuhl und Trimmrad, auf dem sich der asketische Münsterländer fit hält. Am Donnerstag mussten sich dagegen die Journalisten abstrampeln, um Erhellendes von ihm zu erfahren oder zumindest originelle O-Töne einzusammeln. Der Stilbruch hätte nicht größer sein können. Hier der aktenfeste Westfale Hendrik Josef Wüst, 46 Jahre alt, von Beruf Ministerpräsident. Dort der rheinische Bauchmensch Laschet, der gelegentlich Opfer seines sprudelnden Ideenreichtums wurde.

Was der „Plan B“ für Schulen sei, falls die Infektionszahlen wie erwartet in die Höhe schnellten: Werden Sie da noch einmal über Schulschließungen nachdenken? Wüst setzt die Maske ab und antwortet ganz ruhig: „Das Lernen und das Nachdenken sollte man sich nie verbieten. Aber ich habe die Priorität sehr, sehr klar beschrieben, es schließt ein, dass wir das Infektionsgeschehen überall, auch in den Schulen, sehr genau im Blick haben.“

Nächster Versuch. Deutschland hat einen Rekord an Neuinfektionen erreicht: Wo ist für Sie eine Grenze erreicht, bei der Sie sagen, es braucht wieder schärfere, flächendeckende Maßnahmen für alle? Wüst sagt, man werde „sehr genau kritische Infrastruktur, sehr genau Krankenhäuser im Blick haben“.

Dann eben eine schöne Vorlage: Mit welchen zentralen Themen wollen Sie in die Landtagswahl in vier Monaten ziehen? „Vielen herzlichen Dank für die Frage. Noch ist kein Wahlkampf. Wir regieren dieses Land, so dienen wir den Menschen, glaube ich, gerade in dieser schwierigen Phase am besten. Aber Sie werden auch im weiteren Verlauf des Frühjahrs Antworten bekommen auf Ihre Fragen, wie wir Wahlkampf machen.“

Was sind die Treueschwüre von CDU und FDP wert?

Wüst ist Volljurist, seit 17 Jahren Berufspolitiker und saß schon mit 27 im Bundesvorstand. Er ist ein disziplinierter Profi und weiß, welche Fallstricke bei öffentlichen Auftritten lauern. Ihm rutscht nichts einfach raus. Während der Landespressekonferenz strich er zufrieden über seinen Sprechzettel, den er mit mehreren Farbstiften handschriftlich ergänzt hat. Hier war einer vorbereitet.

Neben Wüst saß der stellvertretende Ministerpräsident Joachim Stamp von der FDP, der ein fast freundschaftliches Verhältnis zu Laschet unterhielt. Dessen oft ungestüme Leidenschaft und menschelnde Zuverlässigkeit hat Stamp immer gemocht und als Stabilisierung der schwarz-gelben Koalition erlebt, die ja nur mit einer Stimme Mehrheit regiert.

Mit Wüst haben die Liberalen deutlich mehr Mühe. Der Neue nutzt den derzeitigen Vorsitz der Ministerpräsidenten-Konferenz, um sich bundesweit als Chefkritiker der Ampel-Bundesregierung bekannt zu machen. Wüst und Stamp beteuerten am Donnerstag dennoch, wie gerne sie über die Landtagswahl hinaus als „Fortschrittskoalition“ zusammenarbeiten würden, die man sich als eine Art Goldstandard der deutschen Politik vorstellen soll.

Auf solche Treueschwüre muss man freilich nichts geben: Wenn es zahlenmäßig zu einer Ampel auch in NRW reicht und Wüst die Landtagswahl nicht einigermaßen klar gegen SPD-Herausforderer Thomas Kutschaty gewonnen hat, war’s das wohl mit den Wunschpartnern.

Wie das Klima zwischen CDU und FDP in Düsseldorf so sei, wurde Wüst noch gefragt. „Wenn ich sage freundschaftlich, ist das, glaube ich, das richtige Wort - und es ist ja schon über die westfälische Kommunikation gesprochen worden.“