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Wenige Tage vor der Schicksalsabstimmung über milliardenschwere Griechenland-Hilfen ging Angela Merkel bei „Günther Jauch“ in die mediale Offensive - und verkündete kurzerhand: Es gibt gar keine Schicksalsabstimmung.
Was unterscheidet Kaiserin Sissy von Kanzlerin Angie? Die österreichische Regentin durchlebte harte Schicksalsjahre, für die Regierungschefin dagegen steht ein „Schicksalstag“ an. So sieht es jedenfalls der immer noch neue ARD-Star-Talker Günther Jauch, wenn am kommenden Donnerstag im Bundestag über die Milliardenhilfen für die von der Staatspleite bedrohten Griechen abgestimmt wird - und Merkel um die eigene Mehrheit ihrer Koalition bangen muss. Jauch hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in den Berliner Gasometer geholt, und stellte alsbald die Gretchenfrage: Wie hält es Merkel mit der Mehrheit? Keine Mehrheit, Regierung am Ende?
Nicht mit Merkel. Sicher, so lässt die Kanzlerin Jauch wissen, eine Regierung habe „Anspruch“ auf eine Mehrheit der sie tragenden Parteien und sie sei auch „zuversichtlich“, dass das gelinge. Aber eine Vertrauensabstimmung bringe der Donnerstag deshalb noch lange nicht. Schließlich werde dann nicht der Kanzler gewählt. Es gehe doch nur um „ein ganz normales Gesetz“. Dass das an die 20 Abgeordnete von Union und FDP zuletzt anders sahen und die Frage der Euro-Hilfen zu einer Grundsatzfrage machten? Sie werde mit den Skeptikern bis Donnerstag noch sprechen, gibt sich Merkel gelassen.
Jauch bleibt sich als Polit-Talker treu: unaufgeregt – oder ohne Biss
Gastgeber Jauch, das zeigt auch seine dritte Talkshow am sonntäglichen Nach-„Tatort“-Abend, bleibt sich auch als Polit-Talker treu. Man kann seine Art, Fragen zu stellen, unaufgeregt nennen. Oder man kann ihm einen Mangel an Biss vorwerfen. Jedenfalls versucht Jauch auch bei Merkel, nicht mit brachialer Interview-Technik den Gesprächsgast zu überfallen, sondern mimt den Ahnungslosen und würzt seine Fragen mit sanfter Ironie.
„Ich bin jetzt mal Euro-Skeptiker“, leitet er beispielsweise eine kritische Frage zum Euro-Kurs der Kanzlein ein Frage ein. „Das mag Ihre Sicht sein“, gibt Merkel schnippisch zurück. „Ich bin ja nicht ganz alleine“, pariert Jauch. Und hat Lacher wie Applaus auf seiner Seite.
Merkel ist nicht nach Scherzen zu Mute
Doch Merkel ist an diesem Abend offenbar nicht so recht nach Scherzen zu Mute. Sollte da etwa doch eine gewisse subkutane Nervosität im Spiel sein, so kurz vor dem Donnerstag? Jedenfalls will die Regierungschefin noch ein paar klare Botschaft in die deutschen Wohnstuben: Griechenland soll nicht aus der Euro-Zone geworfen werden, Deutschland werde nicht zur D-Mark zurückkehren, der Euro bringt uns zu viele Vorteile, als dass man die Gemeinschaftswährung aufs Spiel setzen dürfe. Und: Europa muss stärker weden. Merkel fordert ein „Duchgriffsrecht“ für die EU. Und zwar: Künftig müsse „eine europäische Institution“ sagen können: „Wer sich nicht an Verträge hält, muss dazu gezwungen werden.“
Jauch belässt es aber nicht beim Thema Euro. Schließlich ist erst kurz vor Sendungsbeginn der Heilige Vater nach vier Tagen in deutschen Landen wieder Richtung Rom entschwebt, da kann man ja mal nachfragen.Doch die Protestantin Merkel denkt gar nicht daran, ihren Fauxpas von vor drei Jahren zu wiederholen, als sie die Haltung des Papstes zu der ultrakonservativen Piusbruderschaft kritisierte, und dafür heftige Kritik auch aus den eigenen Reihen einstecken musste. Sie belässt bei einem allgemeinen Bekenntnis: „Mir hilft, dass ich Christ bin.“
Merkels Job ist sicher - bis Donnerstag
Als alle schon mit einem versöhnlichen Ausklang der Plauderstunde rechnen, legt der Gastgeber überraschend noch einmal nach. Minutiös hält Jauch der Kanzlerin einen Katalog von Punkten vor, bei denen die CDU unter Merkels Führung in den letzten Jahren ihren Kurs änderte. Die Stichworte lauten: Kinderbetreuung, Abschaffung von Wehrpflicht und Hauptschule, Quasi-Verstaatlichung von Banken. „Verraten Sie das eigentliche Profil der CDU?“, will Jauch wissen und trifft man die aktuell schwache Stelle Merkels. Schließlich musste sie gerade bei mehreren CDU-Regionalkonferenzen den Unmut der Basis erfahren.
Sie habe die Wehrpflicht „geliebt, geschätzt“, gesteht Merkel knapp. Doch auch eine Partei wie die CDU müsse „auf eine sich massiv verändernde Welt reagieren“. Ihr Motto: „Wir sind eine Volkspartei. Wir machen Politik für die Menschen.“ Das klingt verdächtig nach Platitüde und einem Wahlplakat aus den 70ern. Doch Jauch belässt es dabei, hakt nicht nach. Schade, da wäre mehr drin gewessen.
Aber Jauch hat ja noch eine viel wichtigere Frage auf der Karteikarte als das Profil der Union. Er will wissen, wie es um den Blutdruck der Kanzlerin bestellt sei. Merkel, so weiß er zu berichten, wurde einst als Bewerberin um einen Job im Bundespresseamt wegen zu hohen Blutdrucks abgewiesen. Die Kanzlerin nimmt den Ball aber nicht auf, erzählt nur, dass sie sich über das Presseamt geärgert habe, als sie von der Absage erfuhr. Doch Jauch weiß Trost: „Es hat sich ja doch noch ein Job für sie gefunden.“
Den hat Merkel sicher. Zumindest bis Donnerstag.